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auch die Veranlassung zu seinem anderen Hauptwerke „The Government of
India“. Die Entstehungsgeschichte der erwähnten beiden Aemter, die Schil-
derung der damit verbundenen Funktionen und der darin geleisteten gesetz-
geberischen Arbeit bilden gewissermaassen den Mittelpunkt des Werkes.
Das englische Recht, beruhend auf einer mehr als sechshundertjährigen
volksthümlichen und centralisirten Gesetzgebung und einer gleichfalls centrali-
sirten Rechtspflege, obwohl einheitlich und national, wie kein anderes zur
Zeit herrschendes Recht, zeigte sich zugleich, dank seiner über die Jahr-
hunderte sich vertheilenden Entstehung und Entwicklung, unübersichtlich und
an Ueberfülle des Stoffes krankend, wo es sich darum handelte, die einzelnen
BRechtssätze in den Quellen nachzuweisen, wie kein anderes. Seit den Zeiten
Eduard’s VI. und der Königin Eksabeth waren daher die Bestrebungen
englischer Rechtsgelehrter und Staatsmänner auf Reinigung und Vereinfachung
vor Allem des statutarischen Rechts gerichtet. Welche Arbeit dabei zu
leisten war, beweist unter Anderem die Thatsache, dass die erste Ausgabe
der revidirten Statuten (1870—78) die vorhandenen 118 Bände der Statuten
durch 18 Bände ersetzt hat. Als Unterlage für die noch im weiten Felde
liegende Gesammtkodifikation suchte man das vorhandene statutarische Recht
nicht nur durch Ausmerzung aufgehobener oder veralteter Bestimmungen zu
„revidiren“, sondern auch durch Vereinigung der dieselbe Rechtsmaterie be-
treffenden, in verschiedenen Statuten verstreuten Bestimmungen zu einem
neuen Akt zu „konsolidiren“, endlich einzelne Rechtszweige in erschöpfender
Behandlung der betreffenden Materie zu „kodifiziren“. Was das Gebiet der
Kodifikstion anlangt, auf dem mach des Verf. Ansicht von allen Ländern
Deutschland bisher den grössten Erfolg erzielt hat, so hat sie für England
bisher erst zu drei Spezialgesetzen: Bills of Ecbchange Act 1882, Partner-
ship Act 1890 und Sale of Goods Act 1893 geführt, wogegen die Konsoli-
dation, wofür als Beispiel der grosse Merchant Shipping Act 1894 dient,
sich über weite Rechtsgebiete erstreckt hat. Im letzten Jahrhundert stellte
sich ferner das Bedürfniss heraus, neben dieser Bearbeitung des vorhandenen
Rechts, welche in der laufenden Gesetzgebung zum Ausdruck kam, letztere
überhaupt mehr wie bisher in einer den Anforderungen einer gesteigerten
juristischen Technik entsprechende Form zu bringen und systematisch bei
allen neuen Gesetzen auf Einheitlichkeit der Sprache, Klarheit und Kürze
des Ausdrucks, Vermeidung von Widersprüchen mit anderen Rechtsnormen,
Logik und Uebersichtlichkeit des Aufbaus u. dgl. hinzuwirken. Schon WILLIAM
‘“Pırr hatte zu Ende des 18. Jahrhunderts einen ständigen „parliamentary
draftsman“ angestellt, welcher Gesetzentwürfe für die Regierung abzufassen
oder vom Parlamente ausgehende zu begutachten hatte. Zu Beginn der
Regierung der Königin Victoria war dieser Beamte dem Ministerium des
Innern (home secretary) unterstellt, aus dem die wichtigsten Gesetzentwürfe
hervorzugehen pflegten. Später stellten sich jedoch Unzuträglichkeiten heraus,
weil keine Bürgschaft dafür gegeben war, dass die einzelnen Regierungs-