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Der Verf. beginnt seine lehrreichen Ausführungen mit einer Darstellung
der spezifischen Schwierigkeiten der internationalrechtlichen Beurtheilung
juristischer Personen. Diese Schwierigkeiten bestehen nach der Ansicht des
Verf. zunächst darin, dass bei den juristischen Personen nothwendiger Weise
Rechtssubjekt und Willenssubjekt auseinanderfallen müssen, mit anderen
Worten, dass das Rechtssubjekt von der Person oder der Personenmehrheit,
welche für die juristische Person Rechtshandlungen vornimmt, zu unter-
scheiden ist; weiters liegen aber die Schwierigkeiten in der ausserordentlich
grossen Mannigfaltigkeit der juristischen Personen, welche wieder in der
Verschiedenheit der religiösen, wirthschaftlichen und sozialen Verhältnisse
und Zwecke, auf denen die juristischen Personen beruhen, ihren Grund hat.
Die „Nationalität* der juristischen Personen des Privatrechts wird, wie
MAMELOoK entsprechend der herrschenden Lehre ausführt, in der Regel durch
ihren Sitz bestimmt. Eine etwaige Genehmigung oder sonstige Mitwirkung
einer Behörde eines Staates kann für sich allein nicht genügen und ent-
scheidend sein. Der Verf. verweist mit Recht in dieser Hinsicht auf $ 80
B. @.-B. für das Deutsche Reich. Nach dieser Gesetzesstelle ist die Ge-
nehmigung des Bundesrathes erforderlich, wenn eine Stiftung ihren Sitz nicht
in einem Bundesstaate haben soll. Vorausgesetzt ist hier, dass die Stiftung
auf einem im Inlande errichteten Stiftungsgeschäft beruhe. Als Sitz einer
juristischen Person gilt derjenige Ort, der im Statut als solcher bezeichnet
ist, Mangels einer ausdrücklichen Festsetzung der Ort, wo die Verwaltung
geführt wird (vgl. $ 19 deutsch. C.-P.-O., $ 75 österr. Jurisdiktionsnorm,
85 24, 80 B. G.-B. für das Deutsche Reich. Auch MAMELoK spricht
von einem internationalen Gewohnheitsrechte, welches dahin geht, dass in
den meisten Kulturstaaten fremde juristische Personen prinzipiell, abgesehen
von ausdrücklichen einschränkenden Bestimmungen, Anerkennung als selb-
ständige Rechtssubjekte geniessen. Doch handelt es sich nach der Ansicht
MAMELOK’s nicht um „gemeines“ Recht, sondern um „gemeinsames“ Recht,
das in jedem Staat bezüglich seines Ursprungs und seines Geltungsumfangs als
internes Recht anzusehen ist. Der Verf. verweist insbesondere auf die Modi-
fikationen, welche dieses Gewohnheitsrecht durch das neue Bürgerliche Ge-
setzbuch für das Deutsche Reich erleidet (Art. 10 Einf.-G. z. B. G.-B. und
$S$ 23 und 80 B. G.-B.).
In einem besonderen Kapitel erörtert der Verf. die Bedeutung der
Staatsverträge, der in Staatsverträgen vorkommenden Klauseln, namentlich
der Meistbegünstigungsklausel (S. 41ff.). Der Verf. bespricht hier die be-
kannte Kontroverse, welche sich an Art. 11 des Frankfurter Friedens-
vertrages vom 10. Mai 1871 geknüpft hat. Der Verf. billigt mit Recht
die Entscheidung des französischen Kassationshofes vom 14. Mai 1895,
welche ausgesprochen hat, dass aus der Meistbegünstigungsklausel des
Art. 11 in Verbindung mit den anderen Staaten von Frankreich bezüg-
lich ihrer Gesellschaften gemachten Zugeständnissen die rechtliche Exi-
Archiv für öffentliches Recht. XVI. 4. 40