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6. De Lapradelle, La Conference de la Paix. [Extreit de la Revue
de droit international public.] Paris, A. Pedone, 1900.
Der erste grössere und tiefergehende Versuch, die auf der Haager
Konferenz zur diplomatischen Fassung gebrachten Grundsätze rechtsgeschicht-
lich und dogmatisch zu verarbeiten. Die Vorarbeiten und die Berichte der
Kommissionen, die Verhandlungen in pleno etc. sind mit Sorgfalt zur Fest-
stellung der Tragweite und praktischen Tendenz der einzelnen Sätze ver-
werthet und zwischen diesen und der bisherigen Staatspraxis die rechts-
geschichtliche Verbindung hergestellt. Der Verf. hält sich ziemlich weit von
kritikloser Ueberschätzung des Erreichten, er ist aber auch nicht gewillt,
sich das Gold seiner Hoffnungen entwerthen zu lassen. Er will sich mit
dem Schlussworte des Präsidenten der Konferenz im Bosch zufrieden geben:
„Attendons la moisson.“ Dr LAPRADELLE ist um ein gut Theil jünger
als der greise Präsident Baron v. Staa, er hat daher noch ein gutes Recht,
auf Ernte zu hoffen. Stoerk.
Rudolf Herrmann von Herrnritt, Nationalität und Recht, dargestellt
nach der Österreichischen und ausländischen Gesetzgebung. Wien,
Manz, 1899. X u. 1488. M. 3.60.
Die hohe Verantwortlichkeit, die dem politischen Parteileben zukommt,
zeigt sich regelmässig nicht in kurzen Fristen. Die Mühlen mahlen langsam.
Wenn die parteipolitische Gesetzgebung, die einer parteipolitischen Doktrin
die scharfe Ausprägung in positiven Rechtsnormen gegeben, ihre weit-
reichenden Schatten auf das Gedeihen und die Entwicklung eines Volkes
hemmend gelegt hat, dann ist die Partei bereits längst von der Bild-
Näche verschwunden, die „verantwortlichen“ Wortführer sind aus der Reihe
der „Gesetzgeber“ ausgeschieden, — aber ihr Werk steht noch aufrecht und
wirkt nach im ganzen Kreislauf des staatlichen Organismus. Die freilich
noch recht dürftige „Lehre von den Parteien“ müsste diesem ausschlag-
gebenden Punkte unter dem Stichworte „Klinke der Gesetzgebung“ gewissen-
haftere Prüfung als bisher zuwenden. Als warnendes Exempel könnte sie
die doktrinäre Formel des Artikel XIX des österreichischen Staatsgrund-
gesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger als Grundlage des
unbeschränkten österreichischen Nationalitätsrechtes verwerthen. Die
endlosen Wirren, die für den an Naturgaben wie Volkskräften so reichen
Kaiserstaat aus jener abstrakten Formel der nationalen Gleichberechtigung
hervorgegangen sind, zeigt das treffliche Buch von HERRNRITT's in deutlichsten
Umrissen. Jenseits der schwarz-gelben Grenzpfähle ist man gar zu häufig
geneigt, auf das cisleithanische Sprachenproblem mit dem stillen Gefühl
staatsmännischer Ueberlegenheit herab zu sehen. Man ist da zu leicht zur
Annahme geneigt, dass seine Schwierigkeiten nach dem älteren Schema des