Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

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verwendeten Begriffe des Organismus nicht enthalten, dass die 
Entstehung menschlicher Verbände auf natürliche Ursache zu- 
rückzuführen sei®. Die Entstehungsursache ist überhaupt nicht 
Merkmal des Begriffes des Organismus. 
Wenn wir also die Auffassung der sog. Organologen ab- 
weisen, so ist doch andererseits der Behauptung nicht beizu- 
stimmen, als ob der Organismus menschlicher Verbände ein gut- 
oder schlechtgewähltes Bild, eine blosse Analogie sei. Der Or- 
ganismus der menschlichen Verbände ist vielmehr etwas Seiendes 
in dem Sinne, dass die Vorstellungen einer Menschenmehrheit, 
sowie bestimmter Thatsachen und Geschehnisse durch eine ge- 
gebene und notwendige Denkform, die wir als diejenige des Or- 
ganismus bezeichnen, zur einheitlichen Gestaltung gelangen. Der 
Organismus der menschlichen Verbände existiert im gleichen 
Sinne wie das Verhältnis von Menschen. 
GIERKE zeigt sich noch ein gewisses Schwanken. Wohl behauptet auch er, 
„dass dasselbe natürliche Entwicklungsgesetz, welches den Organismus der 
Einzelwesen bis zur Hervorbringung des Menschen gesteigert und vervoll- 
kommt hat, jenseits dieser Grenzen den Organismus des menschlichen Ge- 
meinlebens zeugt und gestaltet“; aber er verwahrt sich doch ausdrücklich 
dagegen, den naturwissenschaftlichen Begriff des Organismus auf den Staat 
anzuwenden. Für Preuss aber ist der Staat bereits unterschiedslos „ein 
Glied in der ungeheuren Kette der Organismen“, und wenn er auch mit Be- 
rufung auf GIERKE die Anknüpfung des organischen Staatsgedankens an das 
Protoplasma zurückzuweisen erklärt, so bekämpft er doch, wie sich an anderer 
Stelle zeigt, nur dessen äusserliche Anknüpfung an die Lehre von den natür- 
lichen Organismen. 
5 Der Verband bezw. der Staat „ist nicht das Erzeugnis einer Natur- 
gewalt, wie etwa eine Pflanze, kraft physischer Gesetze“, allein er ist auch 
„nichts willkürlich Gemachtes“ (Seyper, Staatslehre S. 1). Immerhin hat die 
organische Theorie gegenüber der Theorie, dass der Staat eine menschliche 
Erfindung sei wie die Brandkassen (SchLözEr, Allgemeines Staatsrecht), das 
Verdienst, die natürlichen Ursachen der Entstehung menschlicher Verbände 
betont zu haben, natürlich in dem Sinne, „dass sie nicht der Willkür und 
dem Zufalle entstammen, sondern der mächtig wirkenden Ursache der in den 
wesentlichen Punkten gleichen Anschauungen, gleichen Zwecken, des 
gleichen Lebensinhaltes einer Individuums-Vielheit* (Lines, Empirische 
Untersuchungen S. 36). 
Archiv für Öffentliches Recht. XVII. 1. 7
	        
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