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Unter den Gebietskörperschaften nehmen die sog. politischen
oder die Gemeinwesen eine hervorragende Stellung ein. Gemein-
wesen sind solche Gebietskörperschaften, bei welchen die Organ-
thätigkeit politischer Natur ist.
XI. Die bisherigen Betrachtungen über die Körperschaft
treffen auch für den Staat zu. Der Staat enthält eine Orga-
nisation, welche bewirkt ist durch die innere Rechtsordnung des
Staates. Wie diese Organisation ursprünglich entstanden ist,
entzieht sich unserer Kenntnisnahme. Es lassen sich über die
Entstehung der ursprünglichen Differenzierung in Ueber- und
Untergeordnete nur Vermutungen aufstellen. Soviel ist sicher,
dass nie eine Anzahl Menschen infolge örtlicher Verhältnisse
oder Stammesangehörigkeit bei einander lebten, ohne dass eine
Organisation staatlichen Charakters auftrat. Wie der Gesell-
schafts-, so ist auch der ÖOrganisationstrieb im Menschen inne-
wohnend, von der Natur niedergelegt zum Zwecke der Erhaltung
der Gattung. Es ergiebt sich daraus die Unhaltbarkeit der
anarchistischen Lehren. Ein Zusammenleben von Menschen ohne
Organisation ist gar nicht möglich. Wenn aber auch der Trieb
zur Association und Organisation ein natürlicher ist, so ist doch
jede über die Familie hinausgehende Organisation staatlicher
Natur eine That, ein Resultat bewussten Willens®. Die Orga-
nisation wird gewollt zu bestimmten Zwecken und diese Zweck-
° Lines, Empirische Untersuchungen S.38, bemerkt: „Nach GIERKE ist
dielnstitution des Staates im Laufe der Kulturentwicklung erarbeitet worden.
Diesen Gedanken hat JELLINEK dahin umschrieben, „„dass der Staat auf un-
reflektierter menschlicher That beruht““. Der Ausdruck erscheint minder
glücklich gewählt, da er wiederum einer Erklärung bedarf. Aber der Sinn
kann nicht zweifelhaft sein, da JELLINER- diese Lehre ausdrücklich im Gegen-
satz zu SCHLÖZER aufstellt, und wohl überhaupt gegen die Lehre, welche den
Staat als eine willkürliche, d. i. zufällige Erfindung des bewusst vernünftigen
menschlichen Willens erklärt, wie z. B. van KrIEKEN.“ Preuss (Gemeinde,
Staat, Reich S. 154 Anm. 54) betont gegen JELLINEK: „Von „„mensch-
licher That““ weiss nun freilich die organische Staatslehre in dieser Hin-
sicht nichts.“