Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

— 18 — 
Der Satz, dass alles Recht zuerst politische Vorstellung sei, 
scheint eine Einschränkung zu erfahren bei denjenigen Rechts- 
gebieten, die nicht unmittelbar mit dem Rechte der staatlichen 
Organisation zusammenhängen. Es ist richtig, dass es eine 
grosse Anzahl von Vorstellungen giebt, die allen anständigen 
Menschen eines Zeitalters gemeinsam sind und deshalb des Merk- 
males des subjektiv Bewegenden, welches dem Begriffe des Po- 
litischen innewohnt, sozusagen gänzlich entbehren. So ist man 
darüber einig, dass Verträge gehalten werden sollen, dass Mord, 
Todschlag, Verleumdung, Diebstahl, Betrug u. s. w. unerlaubt 
seien. Aber sobald es sich um nähere Ausführung allgemein 
anerkannter Grundsätze handelt, beginnen die Ansichten aus- 
einander zu gehen und sich zu regen. Diese Ansichten kann 
man politische Ansichten im weitesten Sinne des Wortes nennen; 
öfters tragen diese Ansichten sogar ein starkes politisches Ge- 
präge, man denke an die Frage der Todesstrafe, der Zulassung 
der Civilehe, Gestaltung der Ehescheidungsgründe, des Sittlich- 
keitsschutzes auf dem Gebiete der Kunst und Litteratur u. s. w. 
Die politische Ansicht ist aber nicht bloss das Bewegende 
bei der Rechtsbildung, sondern auch bei derjenigen Rechts- 
ausführung, die sich in Verfügungen und Wahlen zeigt. Da- 
gegen ist die Rechtssprechung von politischen Ansichten grund- 
sätzlich unabhängig. Wir unterscheiden demnach politische und 
nicht politische Organe oder Behörden. Die politischen sind 
diejenigen, welchen der Erlass von Gesetzen, Verfügungen und 
Organisation ist eine Positivität nicht möglich; lediglich die Organisation 
giebt dem Rechte die Kraft. Die Ursache der Geltung liegt in dem Willen 
der Organe, der Behörden. Es ist unrichtig, die Geltung des Rechts in der 
allgemeinen oder durchschnittlichen Anerkennung oder Ueberzeugung der 
Volksgenossen finden zu wollen. Die Bevölkerung verhält sich teils indiffe- 
rent, teils drückt sie ihre Zustimmung oder Missbilligung bei Ausübung der 
politischen Rechte aus. Aber auch eine offene und allgemeine Unzufrieden- 
heit über Rechtsinstitutionen benehmen letzteren die Geltung noch nicht. 
Nur ein organisierter Widerstand wird der Geltung von Rechtsinstitutionen 
gefährlich.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.