— 130 —
schützten Zusammenlebens rechtlich organisierte und durch diese
Organisation zu einem geschlossenen Ganzen verbundene Bevöl-
kerung eines Gebietes, welches Ganze als handelndes Subjekt
auftritt und völkerrechtlich die Eigenschaft als Rechtssubjekt
besitzt.
XVII, Der Staat ist Rechtssubjekt nach Völkerrecht. Nicht
aber ist es das innere positive Recht des Staates, welches den
Organismus zum Rechtssubjekte macht, ihm die Eigenschaft der
Rechtspersönlichkeit giebt. Dieses innere eigene Recht des Staa-
tes vermag die Anerkennung der Einheit als Rechtssubjekt nicht
anzuordnen, weil dieses Recht selbst zur Substanz der Einheit
gehört.
Der Staat ist Staat, nicht weil sein Recht es so sagt, son-
dern weil er nach völkerrechtlicher Anschauung Staat ist. Die
Begrifisbestimmung des Staates ist nicht Sache des Rechts dieses
Staates, sondern Sache der allgemeinen bezw. der völkerrecht-
lichen Beurteilung. Bei der Begriffsbestimmung des Staates sind
wir ausserhalb desselben stehende Beobachter; als solche blicken
wir zunächst in das Innere und betrachten den inneren Organis-
mus und die inneren Rechtsverhältnisse, sodann werfen wir einen
Blick auf das geschlossene Ganze und haben hier den Eindruck
des handelnden Subjektes, dem das Völkerrecht die Eigenschaft
der Rechts-, Handlungs- und Deliktsfähigkeit verleiht. Bei Be-
trachtung und Darstellung des inneren Rechts eines Staates kommt
deshalb der Staat als Rechtssubjekt gar nicht in Betracht. Das
Rechtssubjekt des Staates hat also nur völkerrechtliche Existenz,
nicht Existenz im inneren Organismus des Staates, nicht in der
Physiologie desselben, nicht in der Bethätigung des staatlichen
Rechts. Es ist immer eine ungenaue Sprachweise, wenn man bei
Behandlung und Darstellung des inneren Lebens und Rechtes
des Staates vom Staate spricht. So ist es unrichtig zu sagen,
der Staat regiere, mache Gesetze, schütze den Einzelnen; die Re-
gierung regiert, die gesetzgebende Behörde macht die Gesetze,