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lichkeit, überhaupt den Begriff des Staates bei Darstellungen des
positiven Rechts (Staatsrechts wie des übrigen Rechts) eines
Staates verschwinden zu lassen; man wird sehen, dass es sehr
gut geht und den Einblick in die wahren inneren Verhältnisse des
Staates nur fördert. Man muss sich dabei nur klar machen, dass
beim Rechte im Staate nur Beziehungen der Glieder und Or-
gane unter und zu einander, nie aber Beziehungen der Glieder
und Organe zur Staatspersönlichkeit selbst vorhanden sind; dass
es Rechte und Verpflichtungen nur der Organe und Glieder gegen
Organe und Glieder, nicht Rechte und Verpflichtungen der Staats-
persönlichkeit und gegen letztere giebt. Das bedingt, dass man
nicht, wie in den bisherigen Darstellungen des Staatsrechts oder
eines anderen Gebietes des staatlichen Rechts vom Staate sprechen
darf, sondern nur von den betreffenden Staatsorganen. Die Ge-
setzgebung ist danach Thätigkeit der gesetzgebenden Organe, die
Rechtssprechung ist solche der Gerichte, die Verwaltung solche
der Verwaltungsbehörden; das Recht zur Gesetzgebung ist das
Recht gesetzgebender Organe und nicht des Staates u. s. w.: die
politischen und die übrigen subjektiven öffentlichen Rechte der
Bürger richten sich gegen Staatsorgane, nicht gegen den Staat,
die Verpflichtungen der Bürger sind Verpflichtungen gegenüber
Staatsorganen, nicht gegenüber dem Staate. Nur, wenn man die
auswärtigen Beziehungen des Staates zu anderen Staaten, nament-
lich die Staatsverträge behandelt, kommt die Rechtspersönlichkeit
des Staates in Frage.
XX,. Ein ähnliches gespensterhaftes Schattenwesen wie die
individuelle Staatspersönlichkeit ist auch die sog. Staatsgewalt.
Ueber den Begriff derselben herrscht Einigkeit nicht. Während
GERBER dieselbe als Willensmacht der Staatspersönlichkeit, als
seelische Kraft derselben bezeichnet, stellt JELLINEK die Staats-
gewalt als herrschende Gewalt in Gegensatz zur nichtherrschenden
Gewalt der nichtstaatlichen Verbände. Das Charakteristische
dieses Unterschiedes liege darin, dass die Staatsgewalt die Befehle