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der Gliedstaaten ist geduldet, soweit es nicht verdrängt wurde
oder verdrängt wird. Dieses eigene Recht aber fliesst nicht aus
den vom Rechte des Bundesstaates den Organen gewährten Be-
fugnissen, sondern aus dem Ueberbleibsel bereits vor dem Rechte
des Bundesstaates bestandener und nachher geduldeter Rechts-
komplexe,
Darin unterscheiden sich die autonomen Körperschaften im
Staate, wie Gemeinden und Provinzen, von den Gliedstaaten
eines Bundesstaates, dass sich das Recht des Staates ganz
zwischen sie und das Völkerrecht schiebt und keinen Raum offen
lässt. Auch das eigene innere Recht dieser Körperschaften be-
ruht auf einer Einräumung der Rechtsbildung von seiten des staat-
lichen Rechts; das eigene innere Recht leitet seine Zulässigkeit
vom staatlichen Rechte ab; es ist eigenes Recht infolge einer
Gewährung, Erlaubnis seitens des staatlichen Rechts. Es ist
nicht ein Residuum früherer Rechtskomplexe vorhanden, die sich
gebildet haben ohne Ableitung einer Befugnis von einer höheren
Rechtsordnung, und, falls solche Ueberbleibsel noch vorhanden
sind, bestehen sie kraft besonderer Ermächtigungen des staat-
lichen Rechts.
Auch beim Staatenbunde schiebt sich zwischen die einzelnen
Staaten und das Völkerrecht ein höheres staatliches Recht
hinein, auch beim Staatenbunde sind die einzelnen Staaten, aller-
dings nur in bescheidenem Masse, in ihrer Rechts- und Hand-
lungsfähigkeit beschränkt. Ob beim Staatenbunde dieses staaten-
bundliche Recht auch in einzelne Staaten hineindringt und
eigenes Recht derselben verdrängt oder nur die einzelnen Staaten
als Subjekte verpflichtet, ist eine Frage, die streitig ist und
deren Beantwortung wir uns nicht zur Aufgabe gemacht haben.