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Es kann danach keinem Zweifel unterliegen, dass das Ober-
landesgericht, wenn ihm nach Massgabe derartiger landesgesetz-
licher Bestimmungen, wie die hier in Frage stehenden, eine
solche Vorentscheidung in einem gegebenen Falle angesonnen wird,
ebenso berechtigt wie verpflichtet erscheint, die Rechtsgültigkeit
der gedachten landesgesetzlichen Bestimmung zu prüfen, ins-
besondere auch in der Richtung, ob dieselbe nicht etwa mit dem
Reichsrechte in Widerspruch stehe und hier wieder insbesondere
mit 8 8 G.-V.-G.
II. Was nun aber diese letztere Frage anlangt, so ergeben
die Materialien zu dem hier zunächst in Betracht gezogenen
hessischen Gesetz vom 31. Mai 1879, dass man bei dem Zu-
standekommen der in Rede stehenden Bestimmung über die Zu-
lässigkeit einer unfreiwilligen Versetzung von Richtern auf andere,
auch nichtrichterliche Staatsstellen von Bedenken in dieser
Richtung nicht völlig frei gewesen ist, dass solche aber schliess-
lich als nicht begründet anerkannt worden sind.
Der den Kammern der Landstände vorgelegte Gesetzentwurf
enthielt schon von vornherein eine dem nachmals Gesetz ge-
wordenen Art. 63 Abs. 1 und 2 gleichlautende Bestimmung‘®.
neueren Vertreter der bejahenden Meinung steht; ferner von RÖNNE, Staats-
recht des Deutschen Reiches II. Bd. I. Abt. $ 68; sub II und insbesondere
dessen Staatsrecht der Preussischen Monarchie I. Bd.I. Abt.8$49; G. Meyer,
Lehrbuch des deutschen Staatsrechts (2. Aufl) $ 173. Vgl. auch GARrkıs,
Staatsrecht des Grossherzogtums Hessen (in von Marquardsens Handbuch
des öffentl. Rechts 1. Aufl. III. Bd. I. Haibb. III. Abt.) $ 48 unter b. 2
und Cosar’s Staatsrecht des Grossherzogtums Hessen (ebenfalls in von Mar-
uuardsens Handbuch 2. Aufl. a. a. O.) 8 27 S.52. Gegen das richterliche
Prüfungsrecht von den Neueren insbesondere LaBannp, Das Staatsrecht des
Deutschen Reiches 2. Aufl. I. Bd. & 55 Ziff. 2, der indessen hauptsächlich
das richterliche Prüfungsrecht gegenüber den durch den Kaiser verkündeten
Reichsgesetzen auf Grund der Bestimmungen der Reichsverfassung be-
streitet, während er diesen verneinenden Standpunkt nicht auch, wenigstens
nicht mit gleicher Entschiedenheit, bezüglich des Prüfungsrechts des Richters
gegenüber den Landesgesetzen vertreten zu wollen scheint.
5 S. Verhandlungen der Il. Kammer der Landstände des Grossherzog-