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wie der Vergesellschaftung: er geht aus vom objektiven Recht.
Die philosophische Richtung, mehr moralisierend, neigt dazu, die
Begriffe absolut zu fassen, sie stellt das Prinzip der Willens-
freiheit auf, wertet alle Dinge in erster Linie nach ihrem ethischen
Gehalt, und ist, da in der That die Rechtsgewalt nur subsidiär
korrigierend und helfend ins praktische Leben eingreift und das
objektive Recht so als blosser Appell an die moralischen Qualitäten
des Menschen erscheint, auch die populärere Auffassung. Um-
gekehrt ist scheinbar der Empirismus moralfeindlich und Zer-
störer des festen Gefüges der menschlichen Ideenwelt, da er mit
der Einheit aller natürlichen Organisationen die Relativität aller
Begriffe zu beweisen strebt. „Der Mensch muss sich ein be-
stimmtes Ziel denken, dem er sich aufopfern, einen bestimmten
Gegenstand, den er lieben kann; er braucht deshalb Symbole,
die Verkörperung des Unendlichen, die Thatsache der Thatsachen“
(CARLYLE). Die materialistischen Ideen zerstören aber die Illu-
sionen, sie zwingen uns, die Ziele der geistigen Befriedigung immer
höher über dem Horizont der Menge zu suchen, und sie sind
nicht zum geringsten deshalb von jeher diskreditiert gewesen.
In der Rechtsgeschichte kombiniert sich nun die sich aus-
breitende materialistische Erkenntnis mit der sozialen Verfärbung
des Rechts. Aeusserlich kennzeichnet sich dieser Vorgang durch
die Abolition des philosophischen, speziell des Naturrechts und
die Entstehung und Vertiefung der besonderen sozialen Disziplinen.
An und für sich war das Naturrecht, insofern es das Recht in
seinem Zusammenhang mit der Natur, als Naturerscheinung be-
trachtet wissen wollte, eine Reaktion im empirischen Sinne gegen
die älteren scholastisch-philosophischen Lehren; allein da es das
positive Recht nicht in sich aufzunehmen vermochte, sondern
diesem als höheres Recht gegenübertrat, erhielt es typischen
philosophischen Charakter. Der grosse innere Unterschied zwischen
dem Recht im subjektiven und dem Recht im objektiven Sinne
blieb dem Naturrecht noch dunkel. Ihm war das objektive Recht