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zur Leugnung des Völkerrechts, an dessen Stelle sie das äussere
Staatsrecht setzt. Der Vorzug dieser Lehre liegt darin, dass
die Priorität des objektiven Rechts gegenüber dem subjektiven
und die Einheit des Rechts gewahrt sind.
Den Schlüssel aller Grundfragen des Rechts, des Landes-
wie des Völkerrechts, bildet das Willensproblem. Hier handelt
es sich darum, die organische Natur des Willens und weiterhin
die organischen Funktionen der Individuen in den sozialen Körper-
schaften zu erklären. Unsere besondere Aufgabe wird es sein,
die Realität des Völkerrechts als gesellschaftliches, nicht staat-
liches Recht, und die organische Gleichstellung des Individuums
mit den sozialen Körperschaften (Staat) in der Völkerrechts-
gemeinschaft nachzuweisen.
Erster Teil.
Die Rechtsverbindlichkeit.
1. Das Willensproblem.
Der fundamentale Unterschied zwischen dem Recht im ob-
jektivren und dem Recht im subjektiven Sinne, den wir heute klar
erkennen, hat sich theoretisch nur allmählich in seiner ganzen
Schärfe herausgebildet. Historisch ist dabei die mit der Ent-
wicklung und Erstarkung des modernen Staates parallel gehende
Verdrängung des Personalprinzips im Recht durch das Territorial-
prinzip und die Einschränkung der Selbsthülfe bedeutsam.
“In den Zeiten des Ausgleichs der Stände und des Ueber-
gangs zum konstitutionellen Regime haben die Rationalisten ge-
rade durch die einseitige Hervorhebung des Individualrechts den
Gegensatz vertieft, die historische Schule ihrerseits die logische
Priorität des objektiven Rechts so deutlich erwiesen, dass diese
nun selbst von seiten derer anerkannt wird, welche immer noch
das subjektive Recht allein als eigentliches Recht, oder doch nur
ein rein philosophisches Kriterium des Rechts gelten lassen.