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Zwangsgewalt besonderen Organen zugewiesen worden. Dieser
Zwangsapparat ist zur Verbindlichkeit eigentlich nicht einmal
unentbehrlich; es genügt die Garantie des Staates, d. h. die
Möglichkeit, Zwang zu organisieren, indirekt Zwang auszuüben,
also die Erzwingbarkeit, der latente Zwang.
Dies trifft im weiteren Sinn insbesondere gegenüber dem
Staat selbst zu. Er kann sich selbst nicht zwingen, aber seine
Aktionen sind z. B. durch die Tradition, die Verfassung, resp.
den Gesellschaftswillen garantiert. Praktisch und für gewöhnlich
mag der Staat als Rechtsquelle, mag sein Wille schlechthin als
verbindlich, als Recht gelten. Für seine Unterthanen ist sein
Wille der objektive, selbst wenn er dem allgemeinen Interesse
widerspricht, solange nicht diese Allgemeinheit (resp. diejenigen,
welche sich zu ihren Vertretern aufwerfen), sich zu einem neuen
schöpferischen Willensakt aufraffen kann.
Wie wir gesehen, setzt sich jeder Willensakt eigentlich aus
einer Menge von Willensakten zusammen; es kommt aber schliess-
lich nur darauf an, ob der Erfolg innerhalb eines gewissen Inter-
esses liegt, nicht dass er wirklich der prädestinierte ist. Analog
wird der Rechtswille nicht als erloschen angesehen, wenn in einem
einzelnen Falle ihm keine Folge gegeben wird, wenn also ein
einzelner rechtlicher Erfolg nicht eintritt. Man hat sich in jedem
einzelnen Falle nur zu fragen, ob das objektive rechtliche Inter-
esse, das mit einem erfahrungsgemässen Manko der Realisierbar-
keit rechnet, durch die Unfolgsamkeit wesentlich verletzt wird:
das Recht als Regel.
Wie stellt sich nun die philosophische Richtung zum Problem
der Rechtsverbindlichkeit? Durch die Annahme rein psychischer
Funktionen und der Spontaneität des Willens entzog sie die
Willenshandlungen dem Bereich der „natürlichen Kausalität“,
Die Seele erzeugt nach ihr, wenn auch vielleicht auf äusseren
Anstoss hin, doch wesentlich den Willen aus sich selbst. Die
Rechtsverbindlichkeit, oder was als solche erscheint, besteht ent-
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