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der Gesetzlichkeit ist erst in die Natur hineingetragen worden.
Jedenfalls ergiebt der Vergleich des Rechtsgesetzes mit dem
Naturgesetz keine stichhaltigen Resultate.
2. Die Normentheorie.
Bınpine!?, der Begründer der eigentlichen Normentheorie,
geht zwar von der strafrechtlichen Disziplin aus, allein seine
Ausführungen können allgemeines rechtstheoretisches Interesse
beanspruchen. Er unterscheidet beim Strafgesetz vom eigent-
lichen (esetz den Rechtssatz oder die Rechtsnorm, welch letztere
bei Kontravention allein verletzt wird. Das Gesetz weist im
wesentlichen einen zweiteiligen Bau auf, einen ersten darstellenden
Teil, mit dem Schema: Wer widerrechtlich . . ., der die Voraus-
setzung des zweiten, anordnenden, mit dem Schema: Wird be-
straft mit... . bildet. Das „Soll“ in dieser Anordnung deutet
nicht auf einen wirklichen Imperativ, sondern ist nur ein An-
wendungsfall des auch sonst üblichen formell-feierlichen „ita ius
esto“, lässt also einen Schluss auf die Verpflichtung bestimmter
Rechtssubjekte nicht unmittelbar zu. Auf rein formalistischem
Wege weist nun BinDineG nach, die Norm könne weder im zweiten,
noch in beiden Teilen des Gesetzes, sondern einzig im ersten
stecken. Hier laute das Schema z. B.: Ihr sollt nicht töten; der
Verbrecher handle also direkt dem Verbote zuwider. Der Straf-
hinweis im zweiten Teil sei zur Verbindlichkeit unnötig, es genüge
schon die blosse Kenntnis von Rechtsfolgen, bezw. die Einsicht
in die Natur der Handlung. Die Norm sei der gesetzliche Befehl.
Das Strafgesetz sei derjenige Rechtssatz, der Entstehung,
Inhalt und Ende des subjektiven Strafrechts, genauer des Straf-
rechtsverhältnisses zwischen dem Strafberechtigten und dem Ver-
brecher regle. Da heute die Strafe eine allgemeine Staatslast
sei, richte sich das Gesetz soweit an den Staat (aber keineswegs
1% K. Bıspma, Die Normen und ihre Uebertretung I, Leipzig 1890, S. 1ff.