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Es ist aber, wie früher bemerkt, falsch, deshalb, weil ich
auch gezwungen noch „will“, zu schliessen, dieses Wollen sei
frei und relevant, wie jedes andere Wollen und daher den Willen
allgemein zu definieren als „das Vermögen der eigenen Kausali-
tät gegenüber der Aussenwelt, als die wahrhaft schöpferische
Kraft in der Welt, so in Gott — so im Menschen“. Wir
müssen im Gegenteil an Stelle des Prinzips der Spontaneität das
Prinzip der Relevanz, der Relativität des Willens setzen.
Inerıne setzt sich über alle Widersprüche hinweg und er-
klärt*°: alles Wollen sei subjektiv. Die ausschliessliche Willens-
richtung auf sich selbst heisse beim Menschen Egoismus, werde
aber wenigstens äusserlich dieses Charakters entkleidet durch die
Verknüpfung des eigenen Zweckes mit fremdem Interesse, sodass
eine Koincidenz der beidseitigen Zwecke und Interessen erfolge.
Ist damit der Egoismus überwunden ?
Ein Interesse erfüllen, heisst: es durch Realisierung zum
Willen werden lassen, mit anderen Worten: auch das Interesse ist
egoistischa Was oben als fremdes Interesse bezeichnet worden
ist, muss für das betreffende Subjekt ein objektives Interesse
sein, dessen Subjekt vielleicht eine fremde Person ist, dessen In-
halt aber jedenfalls sein spezielles Interesse in sich begreift.
(Es giebt auch kein interesseloses Handeln.)
Wie verhält es sich mit der Selbstverleugnung? Giebt es
dennoch ein uneigennütziges Handeln? InERING giebt zu, dass
selbst hier ein Interesse vorliege. — Allerdings mag es als ver-
hältnismässig sehr unwesentlich erscheinen, namentlich da, wo
einem echten „Egoisten“ gewisse andere Interessen viel näher
lägen. Vergeblich aber sucht IHERING hier nach einem besonders
gearteten Interesse. Es ist nichts bewiesen, wenn er behauptet,
nur ein Egoist könne in der Freude an fremdem Glück den
Egoismus herauslesen. Er finde jedoch seine Rechnung nicht,
#3 JHERING, ob. S. 33ft.