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Es ist zufolge Gew.-O. & 126b der Lehrvertrag von dem
(sewerbetreibenden oder seinem Stellvertreter, ferner dem Lehr-
ling, endlich dem Vater oder Vormunde des Lehrlings zu unter-
schreiben. Mithin muss er drei Unterschriften tragen. Dies
weicht von den bisher üblichen, auch bei Verträgen, durch
welche ein Minderjähriger verpflichtet wird, sonst erforderlichen
Formvorschriften ab. Zwar bedarf auf Grund B. G.-B. $ 107
der Minderjährige zu einer Willenserklärung, durch die er nicht
lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung
seines gesetzlichen Vertreters, doch steht nach B. G.-B $& 1627
zufolge der elterlichen Gewalt dem Vater, sowie gemäss B. G.-B.
S 1794 dem Vormunde dessen Vertretung mit der Wirkung zu,
dass er namens seines Haussohnes oder Mündels die rechts-
verbindliche Erklärung abgiebt, letzterer also garnicht selbst-
handelnd zugezogen zu werden braucht, was hiervon abweichend
bei Abschluss des Lehrvertrages gefordert wird. Wohl infolge
dieser Abweichung von dem sonstigen Rechte wird auch bei Ab-
schluss von Lehrverträgen jetzt noch vielfach übersehen, auf die
dritte unentbehrliche Unterschrift des Lehrlings zu halten, so
dass noch zahlreiche nach dem 1. April 1898, von wann ab diese
Rechtsregel in Kraft steht, abgeschlossene Lehrverträge mit bloss
zwei Unterschriften im Umlaufe sind. Der geringste Nachteil,
welcher hieraus den Lehrherrn treffen kann, ist die Straffolge
der Gew.-O. $ 150 Ziff. 4a, welcher mit Geldstrafe bis 20 M.
oder Haft bis 3 Tage den Lehrherrn strafbedroht, der den Lehr-
vertrag nicht ordnungsmässig abschliesst.
Im Gewerbe und Handwerk ist es gebräuchlich, dass der
Vater seinen Sohn bezw. der Vormund sein Mündel in den bei
seinem Betriebe vorkommenden Arbeiten in der durch den Zweck
der Ausbildung gebotenen Reihenfolge und Ausdehnung unter-
weist, d. h. als Lehrling anleitet. Bisher wurde in derartigen
Fällen ein formgerechter Lehrvertrag nicht errichtet. Neuerdings
ist jedoch auch hier ein solcher geboten, weil nach heutigem Ge-