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lichen Staatstheorien Lob und Anerkennung. Manches, was der Verf. da
sagt, wird vielleicht nicht immer unwidersprochen bleiben können. So führt
er, um nur ein Beispiel gerade herauszugreifen, die Idee unentziehbarer, ge-
setzlich aber doch beschränkbarer Freiheitsrechte auf BLACKSTONE zurück,
obgleich sich dieser selbst in seinem Commentare I p. 126 ganz ausdrücklich
auf LockE beruft.
Solche kleine Entgleisungen mindern aber nicht den wissenschaftlichen
Wert der geschichtlichen Darstellung in Reum’s allgemeiner Staatslehre. Be-
sondere Anerkennung gebührt dem Verf. dafür, dass er sich nicht, wie das
vorkommt, auf die grossen Staatsphilosophen beschränkt, sondern auch die
kleinen und auch die oft nur vermeintlich kleinen berücksichtigt und deren
Einfluss auf die bekannten grossen Führer prüft. SaLMmasıus ist dafür ein
Beispiel.
Nun zur allgemeinen Staatslehre, d. i. zur Lehre vom Begriff und
Wesen des Staates. Nichts ist in der ganzen Lehre vom Staate so bestritten,
wie dessen Rechtsbegriff, da es äusserst schwer ist, das Rechtsmerkmal auf-
zustellen, durch das sich erkenntnistheoretisch der Staat einerseits von der
Kirche, andererseits von der Gemeinde unterscheidet. Es ist bezeichnend,
dass auch nicht eine einzige der vielen juristischen Staatsdefinitionen unwider-
sprochen geblieben ist. Für REnM ist Staat „die organisierte, angesiedelte,
weltliche Zwecke verfolgende und völkerrechtliche Persönlichkeit besitzende
Vereinigung mehrerer Menschen“ (S. 38). Damit ist die Stellung des Verf.
zu den verschiedenen Staatsdefinitionen gegeben. Abgelehnt wird damit von
ihm die Auffassung, dass der Staat die höchste Gebietskörperschaft sei, eine
Auffassung, zu deren Widerlegung der Verf. freilich nicht erst der lang-
atmigen geschichtlichen Begründung bedurft hätte, da er ja selbst später
die Souveränetät als kein wesentliches Merkmal des Staates bezeichnet.
Hier soll gleich ein Irrtum richtig gestellt werden. Auf 8. 17 lesen wir,
das alte deutsche Reich sei in rechtlicher Abhängigkeit zum Papste gestanden,
der ein Bestätigungsrecht bei der Königswahl gehabt hätte. REHMm stüzt sich
dabei auf eine Stelle im Sachsenspiegel, ohne aber zu bedenken, dass der
Sachsenspiegel keine Rechtsquelle, sondern eine private Rechtssammlung
war, in der sich auch mancher nur vermeintliche Rechtssatz eingetragen
findet. Und er vergisst weiter, dass das auf den Beschlüssen des Renser
Kurvereins beruhende Reichsgesetz licet juris vom 8. Aug. 1338, sowie die
goldene Bulle jede rechtliche Teilnahme des Papstes an der Königswahl
ausschliessen.
Nun zurück zu Reum’s Staatsdefinition, in ihr wird weiter abgelehnt
LasBann’s Auffassung, der sich auch JELLINEK anschliesst, dass der Staat
eigene, ursprüngliche, d. h. von Niemand übertragene Herrschaftsrechte be-
sitze. Leider muss ich es mir hier versagen, zu Lasanp’s Theorie Stellung
zu nehmen und mich bei dem engen Raume, der der Besprechung zur Ver-
fügung steht, auf eine Kritik von ReEum’s Staatsbegriff beschränken.