Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

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Dass zum Staate notwendig ist ein sesshaftes und durch eine Organi- 
sation zu einer juristischen Einheit verbundenes Volk, ist nicht bestritten. 
Ob aber weltlicher Zweck und völkerrechtliche Persönlichkeit auch zum 
Wesen des Staates gehören, ist doch nicht so einleuchtend. 
Vorerst der weltliche Zweck. 
Es ist bekanntlich strittig, ob die Angabe des Zweckes überhaupt in 
die juristische Konstruktion gehört. Angenommen, wenn auch nicht gerade 
zugegeben, es sei dies der Fall, so ist weltlicher Zweck doch nicht die 
äusserste Grenze der Staatsaufgabe. Wenn REHM sagt, der Staat habe nur 
weltliche Zwecke, so heisst das negativ: Religiöse, also Glaubensfragen ge- 
hören nicht in den Bereich staatlicher Festsetzung. Der antike Staat mit 
seiner Staatsreligion, die ihm Staatszweck war, ist die schlagendste Wider- 
legung von Reum’s Theorie. Der Verf. meint allerdings, der antike Staat 
habe in dem Punkte aufgehört, Staat zu sein, wo er Glaubensfragen regelte, 
von da ab sei er Religionsgenossenschaft gewesen. Mit dieser Spaltung des 
Staates in eine staatsrechtliche und eine kirchenrechtliche juristische Person 
thut REHM dem Staatsbegriffe aber ebenso Gewalt an, wie er dies seinerzeit 
gethan hat mit der Scheidung des Staates in eine privatrechtliche und eine 
staatsrechtliche Persönlichkeit. Also mit dem weltlichen Zweck ist es nichts. 
Wie steht es nun mit der völkerrechtlichen Persönlichkeit, die nach Reum’s 
Auffassung für den Staatsbegriff wesentlich sein soll? Reum’s Satz ist nicht 
mehr neu; STOEBER hat ihn zuerst aufgestellt und LaBanD hat ihn schlagend 
widerlegt mit dem Nachweise, dass völkerrechtliche Persönlichkeit nicht 
Ursache, sondern Folge der staatlichen Eigenschaft eines Gemeinwesens ist. 
Damit bricht aber auch Reum’s Staatsbegriff zusammen, da er kein Merkmal 
enthält, durch das sich begrifflich Staat und Gemeinde juristisch unter- 
scheiden. 
In Reum’s Staatslehre weiterlesend begeguen wir einer breiten Studie 
über den Familienstaat, den der Verf. noch heute bei den Melanesiern und 
Mikronesiern zu finden glaubt. Dort sollen einzelne sesshafte Familien durch 
Zäune getrennt in einem Dorfe zusammenwohnen, jede Familie nur ihrem 
eigenen Oberhaupte unterstehend, ohne dass die Familien durch eine gemein- 
same Organisation verbunden wären. Das mag ja sein; aber da kann man 
doch kaum mehr von Staaten, sondern nur von Stämmen reden, die sich 
mit aussermelanesischen Rechtsbegriffen nicht mehr messen lassen, weil bei 
dem grossen Kulturunterschied das einigende Band gemeinsamer Rechts- 
anschauungen fehlt. Darum lassen wir Renm’s Familienstaat nur hübsch bei 
Seite. 
Es bliebe noch so vieles über das Buch zu sagen; doch kann ich es 
hier nur streifen. Hervorgehoben zu werden verdient die gründliche Dar- 
stellung von der Entwicklung, dem dogmatischen Inhalt und der Unteilbarkeit 
der Souveränetät, die entweder voll oder gar nicht da ist. Die logische 
Konsequenz wäre dann, nur zwei Gruppen von Staaten zu unterscheiden:
	        
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