Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

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Da die Naturbetrachtung die Einheit der Naturgesetze 
lehrt, unternahm man es, das Völkerrecht durch Analogien 
aus anderen Rechtskomplexen aufzubauen, wo das aus dem 
vorhandenen positiven Material Gewonnene nicht ausreichte. 
Dies wurde zugleich der Ursprung der heute noch herrschen- 
den Tendenz, die Requisite des staatlichen Rechts zu den all- 
gemeinen Requisiten des Rechts zu erheben und damit aber 
mittelbar die eigentlichen Lehren des Naturrechtes zu ver- 
leugnen. 
Immerhin haben sich im Völkerrecht die naturphilosophischen 
Prinzipien neben den positivistischen bis heute erhalten. Das war 
auch der Anlass zu mannigfachen allgemeinen Kontroversen und 
Versuchen, beide Prinzipien zu vereinigen. Aber dabei wurden 
entweder die allgemeinen Rechtsrequisiten derart im Sinne des 
philosophischen Prinzips (Normentheorie) modifiziert, dass sich 
besonders für das staatliche Recht Inkonsequenzen ergaben, oder 
die Requisite des staatlichen Rechts wurden behauptet und führten 
zur Leugnung des Völkerrechts. Das Problem ist noch nicht 
gelöst. 
Nach unseren früheren Ausführungen muss nun einerseits 
das sog. Naturrecht auf eine positive Basis zurückgeführt 
werden, d. h. die reine Naturgewalt muss aus der Betrachtung 
ausgeschieden und die dann noch bleibende wirtschaftlich-soziale 
Gewalt analysiert werden, andererseits ist die Willenstheorie 
als Grundlage des Positivismus auf das Völkerrecht auszu- 
dehnen. 
In der ersten Phase der Entwicklung des modernen Völker- 
rechts stand das Naturrecht als ein wirkliches, d. h. gewisser- 
massen ebenfalls positives, aber höheres Recht, dem positiven 
gegenüber, das sich, wo jenes Lücken aufwies, sogar unmittelbar 
äusserte. Die historische Schule aberkannte ihm wohl den Cha- 
rakter eines unabänderlichen Naturgesetzes, behielt jedoch ein 
philosophisches Recht bei. Praktisch war somit nicht viel ge- 
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