Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

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der Rechtsverbindlichkeit auch nicht befriedigend lösen. Die 
Einheit des Rechts vermag nur die ausgebildete positive Willens- 
theorie zu wahren, die Normtheorie aber ist eine verfälschte 
Willenstheorie. 
Einen immerhin namhaften Versuch einer Konstruktion des 
Völkerrechts auf Grund der Norm-Willenstheorie machte JELLI- 
NER. Er geht von der mit den Theorien vom Gesellschaftsvertrag 
und vom Vernunftzwang verwandten Hypothese aus?’?; Recht 
entsteht durch die gegenseitige Anerkennung der 
respektiven Willen durch vernünftige Individuen. Diese 
Anerkennung ist als Selbstbeschränkung, nicht etwa als Unter- 
werfung unter fremden Willen oder Zustimmung zu verstehen. 
Abgesehen von der Unrichtigkeit aller Selbstverpflichtungstheo- 
rien haben wir bereits früher die logische Unmöglichkeit einer 
Rechtsschöpfung durch gegenseitige Anerkennung gleichwertiger 
Willen nachgewiesen. Ein derartiges Verhältnis ist ein bloss 
thatsächliches, vielleicht regelmässiges, wenn es durch gleiche 
natürliche Ursachen induziert ist. Wenn mir B Geld giebt und 
ich gebe ihm ein Gut zurück, weil wir des einen benötigen, auf 
das andere aber verzichten wollen, so beschränken wir scheinbar 
unsere Willen entsprechend — wir könnten nämlich auch anders 
wollen —, wir anerkennen unser gegenseitiges Verhalten; ein 
rechtliches Verhältnis ist jedoch nicht zu stande gekommen, 
denn nichts hindert rechtlich beide, unsere Willen einseitig zu 
ändern. 
JELLINEK hat offenbar bloss das Verhältnis zwischen dem 
Individuum „Staat“ und dem „Individuum schlechthin® vor 
Augen, wobei allerdings der Wille des Staates das Individuum 
durch Anerkennung zum Rechtssubjekt erheben kann. Aber 
gewiss ist das Umgekehrte nicht der Fall, Jedes Rechtsverhält- 
nis setzt einen konstanten, überlegenen Leitwillen gegenüber 
"2 JELLINER, Staatsverträge S. 48 ff. 
Archiv für Öffentliches Recht. XV. 2. 22
	        
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