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zurückgehen muss... Der. Kritiker ist Naturwissenschaftler auf
seinem besonderen Gebiet, Es giebt keine absolut verschiedenen
Erkenntnisweisen, z.B. reine Deduktion oder Induktion, sondern
nur in .verschiedenem Grad abstrakte Methoden. Dass die ju-
ristische Welt eine reine Gedankenwelt sei, ist eine schöne Idee,
nur enthält sie leider, wie die religiösen Gedankensysteme, die
Prätention, ausschliesslich und über die Naturvorgänge erhaben
zu sein. Selbst der Dogmatiker reinsten Wassers sieht sich ge-
zwungen, die Lücken seiner abstrakten Welt durch direkte Ab-
straktionen aus der realen Schöpfung auszubauen. Wie oft geht
JELLINEK selbst auf die Natur der Sache zurück? Mit der Ver-
werfung einer spezifisch juristischen Erkenntnismethode fallen
auch die hauptsächlichsten Einwendungen der organischen Theo-
rie, die Kritik des Rechtsbegrifis von der sozial-ökonomischen
Seite ®,
JELLINEK setzt nun voraus, dass, obwohl es historisch mög-
lich sei, dass durch das subjektive Recht das Dasein der es er-
zeugenden und beherrschenden Norm erst zum Bewusstsein komme,
als logisches Prius der Rechtsordnung das von ihr Verordnete
nicht denkbar sei.
. Doch scheint er nur im Verlauf seiner Darstellung die Be-
griffe des objektiven und des subjektiven Rechts nicht genügend
scharf auseinander zu halten. Zwar setzt nach ihm jedes sub-
jektive Recht das Dasein einer Rechtsordnung voraus, durch die
es geschaffen, sowie anerkannt und in grösserem oder geringerem
Masse geschützt wird, allein gleich darauf identifiziert er diese
6° Es ist also z. B. nicht von vornherein falsch, das Deutsche Reich
als eine deutschrechtliche Institution sui generis aufzufassen; es will damit
nur auf die enge Verbindung des rechtlichen Institutes mit der realen Ent-
wicklung hingewiesen sein. Gewiss lässt sich dieser Begriff in höheren, all-
gemeinen Abstraktionen unterbringen und ist dann nicht mehr sui generis,
aber als Bestandteil des sog. allgemeinen Staatsrechts ist er eben nicht mehr
Begriff eines realen: Rechts, sondern eines bloss hypothetischen philosophi-
schen Rechts. '