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steht, ohne das doch dieses Individuum als Organ des
Staates funktioniert, letzterer vielmehr lediglich als
gesellschaftliches Organ erscheint (z. B. im internatio-
nalen Privatrecht)?%,
Wie die völkerrechtliche Funktion des Staates von seiner
spezifisch staatlichen zu trennen ist, muss auch aus dem staat-
lichen Recht das völkerrechtlich relevante Recht ausgeschieden
werden. Gegenüber dem Versuch, alles der staatlichen Autorität
unterstellte Recht, insbesondere das sog. äussere Staatsrecht, als
essentiell staatliches Recht zu erklären, hat TRIEPEL die mate-
rielle Verschiedenheit beider Rechtsordnungen betont. Es kann
sich natürlich nicht um die Konkurrenz koordinierter Ordnungen
handeln, sondern um über- und untergeordnete Rechtsordnungen,
schon deswegen, weil nach Früherem koordinierte Willen keine
innere Beziehung zu einander aufweisen. Das praktische Krite-
rıum für das völkerrechtliche Element im Landesrecht ist durch
das völkerrechtlich relevante Interesse gegeben, d. h. dem prä-
sumtiven in der betreffenden Rechtsordnung zum Ausdruck
gelangenden völkerrechtlichen Willen. Nimmt beispielsweise der
Staat ein Interesse wahr, das zugleich ein Interesse der Völker-
gemeinschaft ist, so ist im staatlichen Rechtssatz der höhere
Völkerrechtssatz eingeschlossen. (Völkerrechtlich relevantes Lan-
desrecht.) Spezifisch staatliches Recht ist dasjenige, das kein
völkerrechtliches Interesse aufweist, sondern rein innerstaatliche
Beziehungen zwischen Personen oder Personen und dem Staat
resp. seinen Organen regelt. (Völkerrechtlich irrelevantes Landes-
recht.)
Wir sind in unserer Darstellung bis jetzt wiederholt auf
den Begriff des internationalen Privatrechts gestossen, ohne Ver-
anlassung nehmen zu müssen, ihn gegenüber dem Völkerrecht,
108 Es sei hier beiläufig an die Relativität der Begriffe Individuum —
Staat — Gesellschaft erinnert.