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Die Verwaltungsgerichtsbarkeit gegenüber der Zuständigkeit
der ordentlichen Gerichte.
Das französische Verwaltungsrecht ist durchaus eigenartig.
Dies gilt vor allem für die
Abgrenzung der Verwaltung von der Rechtspflege.
In Frankreich, wo mindestens seit Richelieu® mit der Oen-
tralisation der Verwaltung eine nicht von dieser losgelöste, aber
selbständig gestaltete Verwaltungsgerichtsbarkeit bestanden hatte,
kam”? der Gegensatz zwischen der gerichtlichen und verwaltungs-
gerichtlichen Kompetenz zur prinzipiellen Erörterung während der
Revolution von 1789. Die früher geübte Einmischung der ge-
richtlichen Parlamente in die Verwaltungssphäre wurde damals
um so störender empfunden, als der Staat im Begriffe war, sich
von Grund aus umzugestalten, die öffentliche Wohlfahrt zum
höchsten Rechtsprinzip zu erheben und die ganze hergebrachte
Rechtsordnung zu durchbrechen. Den gerichtlichen Eingriffen
folgte daher eine rücksichtslose Zurückweisung der Gerichte, in-
dem immer mehr Streitigkeiten der gerichtlichen Kompetenz ent-
zogen und als Verwaltungssachen erklärt wurden. Die Gerichte®
wurden in einer geradezu ängstlichen Weise von jeder Einwir-
kung auf das der Verwaltung zugewiesene Gebiet ferngehalten.
Dies kommt zum Ausdruck in den grundlegenden Gesetzen vom
16./24. Aug. 1790 titre II art. 13 und vom 16. fructidor an
VIII: „Den Gerichten wird bei Androhung peinlicher Strafe unter-
sagt, in irgendwelcher Weise die Handlungen der Verwaltungs-
behörden zu stören oder dieselben wegen der Ausübung ihrer
° LAFERRIERE I S. 140f., 162f.
” Vgl. BuLuntscaui a. a. O. II S. 249.
® Otto Mayer, Verwaltungsgerichtsbarkeit in Eilsass- Lothringen
(v. Stenezu II S. 750).