—_ 30 —
kann, darüber sind heutzutage, angesichts der, wie erwähnt, so
sehr gesteigerten Anforderungen an das richterliche Amt, wohl
alle einig, die der Sache näher stehen und einen Einblick in die
Praxis gewonnen haben.
Allein auch eine das äusserste Mass von Vorsicht anwen-
dende Justizverwaltung wird immer doch noch Täuschungen aus-
gesetzt sein und es nicht stets vermeiden können, dass hinterher
erst sich herausstellt, dass eine in der Praxis sich als gänzlich
ungeeignet zeigende Persönlichkeit zum richterlichen Amt berufen
worden ist. Das lässt sich gar nicht bestreiten. Abgesehen da-
von, dass sich die spätere Entwicklung eines Menschen mit Sicher-
heit ja niemals voraussehen lässt, lässt sich die Frage stellen:
welche Mittel stehen denn der Justizverwaltung zu Gebote, um
die sich ihr darbietenden Anwärter für das richterliche Amt so
genau kennen zu lernen, dass derartige Täuschungen gänzlich
ausgeschlossen wären? Nachdem der junge Rechtsbeflissene die
vorgeschriebenen Prüfungen abgelegt hat, die selbstverständ-
lich über seine Befähigung zur sachgemässen praktischen An-
wendung der von ihm erworbenen theoretischen Kenntnisse
keine Auskunft zu geben vermögen, wird er während eines
mehr oder weniger langen Zeitraums, je nachdem ein lang-
sameres oder schnelleres Vorrücken bis zur definitiven An-
stellung durch das stets wechselnde Bedürfnis hervorgerufen
wird, im praktischen Dienst verwendet, zunächst übrigens meist
nicht einmal in richterlicher Funktion, und selbst wenn letzteres
dann der Fall, liegt es in der Natur der Sache, dass der mit
richterlichen Stellvertretungen betraute junge Justizanwärter bei
der ihn noch beherrschenden Unsicherheit zunächst sich an die
mit ihm bei demselben Gericht beschäftigten älteren Kollegen an-
lehnen, deren Rat einholen und auch gerne befolgen wird. Ander-
seits liegt es nahe, etwa seinerseits bei Erledigung der richter-
lichen Geschäfte vorkommende Verfehlungen und Inkorrektheiten
auf das Konto der bei ihm ganz naturgemäss noch vorhandenen