Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

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dazu da, um akademisch Rechtsgedanken zu diskutieren, sondern sie beraten, 
Vorlagen, die dazu bestimmt sind, Gesetz zu werden, und, dessen bewusst, 
fassen sie ihre Beschlüsse so, dass sie deren Annahme seitens der Krone 
erhoffen und ihre Ablehnung bedauern müssten.“ Abgesehen davon, dass 
Hoffen und Bedauern keine staatsrechtlichen Funktionen, sondern mensch- 
liche Empfindungen sind, deren die Kammern als solche niemals, sondern 
nur die einzelnen Mitglieder fähig sind, und dass sehr oft zahlreiche Mit- 
glieder, welche gegen das Gesetz gestimmt haben, die Ablehnung des Kammer- 
beschlusses erhoffen und die Zustimmung der Krone bedauern, so hat die 
ganze Erwägung gar nichts mit der Unterscheidung von Gesetzesinhalt und 
Geesetzesbefehl zu thun. Die Beratung und Beschlussfassung der Volks- 
vertretung unterscheidet sich dadurch von einer „akademischen Diskussion 
von Rechtsgedanken“*, dass sie verfassungsmässig zur unerlässlichen Vor- 
bedingung der landesherrlichen Sanktion gemacht ist und dass demgemäss 
die Beschlussfassung des Parlaments in der Tendenz geschieht, dass der 
Entwurf Gesetz werden kann oder soll. Mit anderen Worten: Die Fest- 
stellung des Gesetzesinhalts seitens der Volksvertretung hat eine staats- 
rechtliche Bedeutung, während der Aufstellung eines Gesetzentwurfs durch 
Vereine, Behörden, Gelehrte u. s. w. eine solche nicht zukommt. Aber 
niemals reicht diese staatsrechtliche Funktion der Kammern in den deutschen 
konstitutionellen Staaten weiter als bis zur Feststellung eines Gesetzentwurfs, 
d. h. der Formulierung eines Komplexes von Sätzen rechtlichen Inhalts, 
welche — so lange sie nicht die Sanktion des Monarchen erhalten haben — 
ohne verbindliche Kraft sind und den Charakter von Rechtsvorschriften 
nicht haben. Darin aber besteht gerade der Gegensatz zwischen dem 
Gesetzesinhalt und dem Gesetzesbefehl, welcher den blossen Rechtssatz zur 
verbindlichen Rechtsvorschrift erhebt. Dass die Beratung und Feststellung 
des Gesetzentwurfs seitens der Kammer keine „akademische Diskussion von 
Rechtsgedanken“ ist, sondern eine staatsrechtliche Bedeutung und Tendenz 
hat, habe ich selbst schon in der II. Aufl. des Staatsrechts 8. 516 Anm. 2 
ausgeführt. Der Verf., der jedes Wort meiner Darstellung kennt, hat es 
aber für gut befunden, dies zu verschweigen. 
Der Verf. wendet sich nun der Sanktion zu und erkennt an, dass die- 
selbe in den Einzelstaaten vom Monarchen, im Reich durch Beschluss des 
Bundesrats erfolgt. Das Wesen der Sanktion erblickt der Verf. aber nicht 
in dem Gesetzesbefehl, sondern in der „Zustimmung und Entschluss zum 
Erlass des Gesetzesbefehls“. In der Monarchie sei die Sanktion „zunächst 
ein innerer Vorgang im Willen des Monarchen“; sie bedürfe keiner be- 
sonderen Erklärung, eine mündliche Erklärung des Monarchen, z. B. im 
versammelten Ministerrate (warum nicht auch bei einem Diner oder Hof- 
ball?) würde genügen (S. 21f.). Nun wird man wohl nicht bezweifeln 
können, dass die Sanktion eines Gesetzes eine Regierungshandlung ist; 
Regierungshandlungen bedürfen aber der Gegenzeichnung eines verantwort-
	        
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