Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

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zeugen. Zwei Auslegungsprinzipien stehen sich gegenüber, die man sonst 
nur vereint walten lassen möchte, Auf der einen Seite wirkt der auch für 
die Auslegung privater Willenserklärungen geltende Grundsatz, dass man 
nicht am buchstäblichen Wortausdruck haften soll, und dem scheint es aller- 
dings zu widersprechen, wenn man in den angedeuteten Fällen zwar nicht 
die Aufrechnung, aber doch die Zurückbehaltung zulassen will, die prak- 
tisch auf dasselbe Ergebnis hinausläuft. Auf der anderen Seite möchte man 
nach dem Grundsatz verfahren, jede Erklärung, auch die des Gesetzgebers, 
thunlichst so auszulegen, dass ein vernünftiger Sinn zu stande kommt. Es 
führt aber zu unleugbaren Härten, wenn der Arbeitgeber ohne Rücksicht 
auf konnexe Gegenansprüche den Lohn schlechthin auszahlen muss. Der 
Verf. erachtet das Zurückbehaltungsrecht beim Arbeitsvertrage überhaupt für 
unzulässig und bringt es unter den Gesichtspunkt des in fraudem legis.agere, 
wenn man beim gesetzlichen Bestehen des Aufrechnungsverbots die Zurück- 
behaltung zulassen will. Es wird aber, wie wir annehmen, viele Juristen 
geben, die den Standpunkt vertreten, es müsse, wenn sich die beiden Ge- 
setzesbestimmungen zur Not vereinigen lassen, diejenige Ansicht als im 
Willen des Gesetzgebers begründet angesehen werden, die zu praktisch an- 
gemessenen Ergebnissen hinführt. De lege ferenda erkennt auch der Verf. 
an, dass sich mit Rücksicht auf Treu und Glauben des Verkehrs, sowie im 
Interesse der Disziplin die Zulassung gewisser Lohnabzüge nicht entbehren 
lässt. Er befürwortet die gesetzliche Zulässigkeit der Aufrechnung bei Gegen- 
ansprüchen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen, aus vorsätz- 
licher Verletzung der dem Arbeiter obliegenden Verpflichtungen und aus 
Straffestsetzungen, die mit einem rechtlich anerkannten Arbeiterberufsverein 
vereinbart sind. 
Die Schrift geht in näherer Weise auch auf alle anderen, der Sicherung 
des Arbeitslohnes dienenden Gesetzesbestimmungen ein, insbesondere auf das 
Gesetz betreffend die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohnes vom 
21. Juni 1869, wobei der Rechtsbegriff der „Verfügung“ über den Lohn er- 
örtert wird, auf die Schutzbestimmungen der 88 11öf. Gew.-O. (Truckverbot, 
Verbot des Warenkreditierens etc.), auf die Vorschriften, welche dafür Vor- 
sorge treffen, dass der Arbeiter den Lohn zur rechten Zeit und am rechten 
Ort erhält, und auf diejenigen, welche eine Publizität der Zahlungsbedingungen 
anordnen (Lohnbuch, Arbeitszettel etc.), auf den $ 616 B.G.-B. und auf 
manche andere, hier einschlagende Bestimmungen. 
In einem besonderen Abschnitt werden die vom Verf. so genannten 
Lohnbeschränkungsverträge behandelt, namentlich die Lohneinbehaltungs- und 
Lohnverwirkungsabreden, für die in den $$ 119a Abs. 1 und 134 Abs. 2 
Gew.-O. bestimmte Beschränkungen festgesetzt sind. Der Verf. kommt da- 
bei zu dem Schluss, dass diese Abmachungen im Hinblick auf $ 2 Lohn- 
beschlagnahme-G. im vollen Umfange ungültig sind. Dem vermögen wir 
nicht zu folgen. Selbst wenn man ganz davon absehen will, dass die an-
	        
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