Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

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so viel Steuer zu entrichten, wie 18 Landbewohner, ja der Wiener hat sogar 
36mal so viel zu zahlen, wie sein ländlicher Staatsgenosse. 
Auf dem Lande ist die Veranlagung in allen Einkommensstufen miss- 
lungen, es ist eine grosse Anzahl von Censiten der Besteuerung entgangen 
und ist das Einkommen in der Regel viel zu niedrig geschätzt, und dies gilt 
in erster Linie von dem landwirtschaftlichen Einkommen und zwar sowohl 
von dem grossen, wie von dem kleinen. Auf dem Lande hat sich also der 
der Personaleinkommensteuer zu Grunde liegende Gedanke noch nicht 
durchgesetzt. 
Prof. v. WIEsSER weist mit vollem Recht darauf hin, wie misslich dieses 
faktische Steuerprivileg des landwirtschaftlichen Einkommens ist, welches zu 
dem unerträglichen Widerspruche führt, dass der industrielle und sonstige 
Lohnarbeiter sein Arbeitseinkommen versteuern muss, während das Ar- 
beitseinkommen des Bauers frei bleibt, „weil er mehr als ein blosser 
Arbeiter, weil er zugleich Besitzer ist“. Nicht befriedigend ist begreiflicher- 
weise auch die Erfassung des Einkommens aus Kapitalvermögen, bezüglich 
dessen eine verlässliche Schätzung besonders schwer ist. Im ganzen fasst 
v. WIESER sein Urteil über den Erfolg der Veranlagung dahin zusammen, 
dass das überaus schwierige Werk so weit gelungen ist, als es beim ersten 
Versuche überhaupt gelingen konnte. 
Zur Beseitigung der bestehenden Mängel fordert er Voreinschätzungs- 
kommissionen nach preussischem Muster, Vermehrung der Beamtenstellen, 
Beteiligung der Gemeinden am Erfolge der Steuer, Zwang zur Vorlage der 
Geschäftsbücher, strenge Anwendung der Strafbestimmungen. Den zu er- 
zielenden Mehrbetrag beziffert v. Wızszr mit etwa 12 Millionen Gulden, 
die aber nicht dem Staate, sondern den Steuerzahlern zu gute kommen 
und zur Herabminderung der Ertragssteuern verwendet werden sollen. Es 
müsse einfach und ehrlich reformiert, und nicht auch die Steuerlast erhöht 
werden. 
Sehr interessant sind die in die Untersuchungen eingeflochtenen Ex- 
kurse über das Verhältnis der Einkommensteuercensiten und Reichsratswähbler, 
sowie über die nationale Verteilung der Personaleinkommensteuer. Insbe- 
sondere für die letztere Frage wird ein sehr bemerkenswertes Material ge- 
liefert. Prof. v. WIıEsER versucht, zu berechnen, welcher Anteil der gesamten 
Einkommensteuerleistung auf die Deutschen einerseits und die Nichtdeut- 
schen andererseits entfällt. Die Berechnung kann naturgemäss nicht ganz 
genau sein, sie ist aber mit solcher Vorsicht gemacht, dass sie im Schluss- 
resultate zweifellos als richtig angesehen werden muss. 
Es ergiebt sich darnach, dass die Deutschen in Oesterreich, trotzdem 
sie der Zahl nach nur etwas über ein Drittel der Gesamtbevölkerung aus- 
machen, zwei Drittel aller Censiten des Reiches stellen, zum mindesten 
70 %/o des gesamten steuerpflichtigen Einkommens vertreten und für einige 
70 °/o, vielleicht für drei Viertel der ganzen Steuerlast aufkommen.
	        
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