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wie auf kirchlickem Gebiete die Trennung von Theorie und
Praxis. Während in früherer Zeit .die Rechtslehrer an den
Universitäten zugleich vielfach in Richterämtern, die theologischen
Universitätsprofessoren gleichzeitig oft in Pfarrämtern Verwen-
dung fanden?, ist eine derartige kombinierte Thätigkeit heutzutage
eine seltene Ausnahme. Man hat diese Trennung von Theorie
und Praxis nicht selten beklagt, und unstreitig hat sie auch be-
reits in der Gegenwart gewisse Nachteile offenkundig hervortreten
lassen. Die scharfe Scheidung von Theorie und Praxis hat die
Arbeit so manches Theoretikers zu einer unfruchtbaren gemacht,
weil er des auffrischenden Luftzugs aus der Praxis entbehrt;
andererseits haben die Männer der Praxis vielfach in dem
Kleinkram des täglichen Lebens die grossen Gesichtspunkte ver-
loren, welche die Beschäftigung mit der Theorie erschliesst.
Nichtsdestoweniger wird man bei unbefangener Prüfung der
Sachlage die Tendenz, auf staatlichem und kirchlichem Gebiet
die einzelnen Funktionen zu trennen und mit verschiedenen Trä-
gern zu versehen, als eine durch die Verhältnisse der neueren
Zeit unumgänglich gebotene anerkennen und die Schattenseiten
der Entfremdung von Theorie und Praxis als ein damit untrenn-
bar verbundenes, kleineres Uebel mit in den Kauf nehmen müssen.
Bei der beschaulichen Lebensweise der älteren Zeit, wo alles
seinen ruhigen Gang ging, war es dem einzelnen Individuum noch
möglich, verschiedenen Lebenskreisen gerecht zu werden und hier
und da in sorgsamer Ueberlegung das einzelne zu übersehen und
unverwirrt durch eine Flut von Erscheinungen die.nötigen Ent-
schliessungen zu fassen. In unserer Zeit des Dampfes ist mit
?2 ARNoLDT, Historie der Königsbergischen Universtität I 1746 bemerkt
naiv (8. 54): „Ueberhaupt haben grosse Städte (in Ansehung einer Universi-
tätsgründung) den Vortheil, dass die Professores durch Bedienungen bey den
Kirchen und den Gerichten, oder den medicinischen Praxin und sonsten, das
zu ihrem Unterhalt etwa noch fehlende zu erwerben einige Gelegenheit haben,
und nicht genöthiget werden, des Brodts wegen die gelehrte Welt mit un-
nützen und überflüssigen Schriften zu beschweren.“