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recht nennen, in der geheimen Kanzlei des Kriegsrates nicht nach
den Landesgesetzen, sondern „erstens nach dem göttlichen Recht,
sodann nach dem römischen Civilrecht und eigenen Volksbräuchen
gerichtet zu werden“. ‘Auf diese Weise hatte sich zur Zeit der
Ausarbeitung des erwähnten Entwurfs eine schwer zu übersehende
Masse der verschiedenartigsten, unter einander absolut nicht
koordinierten Gesetzakte angehäuft, welche stufenweise Ab-
lagerungen verschiedener Epochen mit dem buntesten Inhalt dar-
stellten. Diesen Knäuel zu entwirren fehlte es der Kommission
an Geduld, sie zog es vor, denselben zu zerhauen und eine Regel
zu formulieren, die an und für sich am besten dem Rechtsbewusst-
sein der Zeitgenossen entsprach.
Im Reichsrat wurde der Entwurf einer eingehenden Prüfung
unterzogen, wobei das die Ausländer betreffende Kapitel verhält-
nismässig nur geringe Veränderungen erlitt. Jedoch wurde 8 16
gestrichen, da es für richtiger befunden wurde, den im selben
enthaltenen Grundsatz sowohl in das Polizeireglement, als auch
in den Kriminalcodex aufzunehmen°; auch wurde der Wortlaut
des $ 15 ein wenig verändert®. (Gresetzeskraft erhielt aber dieser
Entwurf nicht, da es für unmöglich erkannt wurde, ein Gesetz-
buch zu verfassen ohne vorhergehende systematische Sammlung
des vorhandenen Gesetzmaterials. Im Jahre 1815 war ein Teil
dieser neuen Arbeit vollendet und eine „systematische Sammlung
der geltenden Civilgesetze nebst den aus ihnen extrahierten
RBechtsprinzipien“ herausgegeben. Diese „Prinzipien“ kommen,
soweit sie die Stellung der Ausländer betreffen, den Bestim-
mungen des Entwurfs zum Civilgesetzbuch sehr nah. So lautet
8 49: „In Russland weilende Ausländer stehen sowohl ihrer
8 „Archiv des Reichsrats“ |. ce. 7.
® „Alle in Russland sich aufhaltenden Ausländer geniessen für ihre Per-
son und für ihr Eigentum den Schutz der allgemeinen russischen Gesetze
und unterliegen denselben.” Den vom Reichsrat gebilligten Entwurf zum
Civilgesetzbuch siehe in „Archiv des Reichsrats“ 1. c. Anh.