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Rechts und keine Kollisionsnorm. Seine Aufgabe ist, die recht-
liche Stellung der ausländischen Staatsangehörigen zu bestim-
men, nicht aber ratione loci die Wirkungssphäre der inländi-
schen Gesetzgebung zu begrenzen.
Es ist wohl kaum nötig, zu beweisen, dass zwischen diesen
beiden Normalkomplexen ein bedeutender prinzipieller Unterschied
besteht. In der That, man kann sich leicht vorstellen, dass ein
Staat Ausländern wichtige Civilrechte versagt und trotzdem an-
erkennt, dass Ehen nach lex loci actus, die Erbfolge nach lex
personalis u. s. w. bestimmt werden. Und andererseits kann
ein Staat sich äusserst liberal in seinen Grenzen weilenden Aus-
ländern gegenüber verhalten, zugleich aber in allen Fragen des
internationalen Privatrechts auf dem territorialen Prinzip fussen
und nur in den seltensten Fällen Anwendung ausländischer Ge-
setze zulassen!‘. Daraus folgt, dass diese oder jene Stellung,
welche das materielle Recht eines Staates den Ausländern gegen-
über einnimmt, keineswegs als Schlüssel dienen kann, um mög-
licherweise entstehende Kollisionen verschiedener Ortsgesetze zu
entscheiden.
Das hier Gesagte resumierend, kommen wir zu dem Schlusse,
dass der in der russischen Gerichtspraxis herrschende Usus
(Art. 822) als Schlüssel zum Lösen verschiedener Zweifel in
Fällen von Gesetzkollisionen anzuwenden auf vollkommener Ver-
wechslung des Sinnes und absoluter Unkenntnis der historischen
Entstehung dieses Artikels beruht. Seine einzige Bestimmung
ist, die rechtliche Stellung der Ausländer zu normieren. Ihn
zu einer Konfliktsguillotine zu machen, heisst offenbar und be-
wusst die Absicht des Gesetzgebers verkennen.
Die russische Gesetzgebung enthält somit kein allgemeines
prinzipielles Verbot, ausländische Rechtsnormen anzuwenden, ein
10 Siehe Kaun, Ueber Inhalt, Natur und Methode des internationalen
Privatrechts 1899, $ 32.