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wendung der Kollisionsbestimmung selbst, einerlei, ob letztere
besonders ausgedrückt ist oder nur tacite angenommen wird.
Auch wird darauf hingewiesen, dass eine Interpretation aus-
ländischer Gesetze, die von derjenigen abweicht, welche im Hei-
matstaate angenommen ist, eine unerwünschte Erscheinung sei.
An und für sich ist das vollkommen richtig; die Sache ist nur
die, dass selbst in dem Falle, wenn den Gerichten erster und
zweiter Instanz das Recht verliehen wäre, ausländische Normen
ohne Kontrolle anzuwenden, die Lage der Dinge in nichts besser
würde. Im Gegenteil, es ist sogar a priori anzunehmen, dass die-
selbe noch schlimmer würde. Denn, wie dem auch sei, so ist
doch das oberste Kassationsgericht augenscheinlich kenntnisreicher
und vom Standpunkte der dasselbe bildenden Kräfte besser be-
stellt als die untersten Instanzen. Seine Mitglieder haben, nach
der allgemeinen Regel, weniger laufende Routinearbeit und mehr
Musse zum Studium schwieriger und verwickelter Rechtsfragen.
Deshalb kann man wohl annehmen, dass — caeteris paribus —
das Kassationsgericht über bessere Mittel zur Kenntnisnahme und
richtigen Anwendung ausländischer Gesetzgebungen verfügt, als die
Gerichte erster und zweiter Instanz, geschweige die Einzelrichter.
Unter dem Einflusse solcher Erwägungen sind in den letzten
Jahren die Gelehrten recht einmütig für eine Anerkennung der
Kompetenz der Kassatiensinstanzen, ausländische Rechtsnormen
zu interpretieren, eingetreten. Als die bedeutendsten Vertreter
der neuen Richtung sind LAURENT", von BAR”, CoLın!, Ro-
LIN!?, Weiss!” u. a. zu nennen. Ebenso hat auch die Praxis,
wie man nach einigen neueren Entscheidungen sehen kann, ihre
frühere Stellung in dieser Frage bis zu einem gewissen Grade
geändert und aufgehört, die Lehre, dass Urteile unterer Gerichts-
instanzen in diesen Fällen vom Standpunkt der Kassation un-
antastbar sind, zu einem unverrückbaren Dogma zu erheben '*®.
7], c.
18 Diese Entscheidungen sind bei Weiss, 1. c. p. 177, 179 angeführt.