- 597 —
Das Unlogische dieser Argumentation konnte dem Kassa-
tionshof nicht verborgen bleiben, welcher sich im Jahre 1896
(Fall Meunier-Bronchard, No. 35) für eine nochmalige „allseitige“
Untersuchung dieser Frage entschied. In folgenden Erwägungen
fand diese „Allseitigkeit* ihren Ausdruck. Nach der Ansicht
des Kassationshofes sind, kraft Art. 186 u. 709 C.-P.-O., An-
träge auf Kassation zulässig im Falle offenbarer Verletzung des
direkten Sinnes eines Gesetzes oder falscher Interpretation des-
selben. Diese Artikel reden vom Gesetz als von einer all-
gemeinen, ob legatorischen, von der gesetzgebenden Gewalt auf-
gestellten Rechtsnorm, zum Unterschied von Abmachungen Pri-
vater, die sich in Form von Verträgen und Akten darstellen und
nur für die Beteiligten verpflichtend sind. Weder aus dem Sinne
der angeführten Artikel, noch aus anderweitigen Gesetzbestim-
mungen ergiebt sich das Prinzip, dass diese Artikel nur die
Interpretation der heimischen Gesetze im Auge haben. Indem
der Gesetzgeber in den Art. 707 u. 708 C.-P.-O. den Gerichten
vorschrieb, im Auslande geschlossene Verträge und Abmachungen
nach den Gesetzen desjenigen Staates zu beurteilen, in dessen
Grenzen dieselben zu stande gekommen sind, und in diesen
Fällen den fremden Gesetzen eine gleiche Kraft wie den heimi-
schen verlieh, hat er auch natürlich die Möglichkeit einer fal-
schen Interpretation derselben seitens der Gerichte vorausgesehen.
Hätte er eine Kassation im Falle von Verletzung ausländischer
Gesetze nicht zulassen wollen, so hätte er augenscheinlich (??)
diese Ausnahme in der Civilprozessordnung besonders erwähnt,
Aus der hier angeführten Analyse der Argumente pro et
contra Gewährung des Rechts an das Kassationsgericht, Gerichts-
entscheidungen auf Grund Verletzung ausländischer Normen auf-
zuheben, muss es dem Leser klar geworden sein, dass unsere Sym-
pathien vollständig auf Seiten der zweiten Senatsentscheidung sind.
Indem wir uns jedoch mit dem Resultat einverstanden er-
klären, zu dem der russische Kassationshof gelangt ist, können