-- Bl —
Beschränkung empfanden. Da war es natürlich unmöglich, eine
Formel zu finden, die den beiden sich widersprechenden An-
schauungen gleichmässig gerecht wurde, und man konnte sich
nur darauf einigen, dass jedenfalls die Heirat mit einer Bürger-
lichen eine „notorische Missheirat“ sei. Dazu kam, dass die
geistlichen Fürsten, die zum grossen Teil aus dem niederen
Adel hervorgegangen waren, die Gelegenheit zu nutzen suchten,
um ihren Standesgenossen ein Ebenbürtigkeitsrecht mit dem
Hochadel zu erringen, resp. verhinderten, dass ihre Unebenbürtig-
keit reichsgesetzlich festgesetzt würde.
8 14.
Es mag auffallen, dass die höchsten kompetenten Behörden,
der Kaiser und der Reichshofrat, in dieser Frage eine
durchaus schwankende Haltung beobachteten. Aber nicht etwa
deshalb, wie man vielleicht annehmen möchte, weil die Frage an
sich ihnen unklar gewesen wäre, sondern weil die Kaiser die
einzelnen Fälle im politischen Interesse ausnutzten und der
Reichshofrat infolge dessen seine Urteile oft genug mehr nach
politischen als nach juristischen Gründen fällte?”. So kamen oft
sich ganz widersprechende Erkenntnisse zu Tage”®. Bei der immer
mehr emporstrebenden, die Centralgewalt einschränkenden Fürsten-
macht musste das Streben der Kaiser notwendig dahin gerichtet
sein, alles zurückzudrängen, was die Fürstenmacht stärken konnte.
So waren sie auch dem Ebenbürtigkeitsprinzip im allgemeinen
#” PürTTer, Missheiraten S. 132, 184, 416.
38 So erklärte der Kaiser, nachdem er 1717 und 1724 vergebens ge-
sucht hatte, den Herzog Anton Ulrich von Sachsen zu bewegen, seine
Ehe mit Philippine Cäsarea Schurmann für eine morganatische zu er-
klären, 1727 letztere mit ihren Kindern für ebenbürtig und erbberechtigt. Dann
gestattete er 1732 jedem, dessen Rechte hierdurch verletzt seien, vor dem
Reichshofrate weiter in dieser Frage zu verhandeln, und 1744 wurde die
Ehe durch kaiserliches Reskript für eine Missheirat erklärt (PÜTTER
S. 244, 321).