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Landtages. Es ist dies nicht so zu verstehen, dass wir noch in
Preussen den ständischen Staat haben, sondern nur so, dass
zwischen dem heutigen konstitutionellen und dem früheren stän-
dischen Stande nicht eine Lücke, sondern eine Brücke, ein histo-
rischer Uebergang, bestanden hat. In 8 6 des Grundlagegesetzes
findet sich die Bestimmung:
„Den künftigen Vertretern des Volks soll jedenfalls die
Zustimmung zu allen Gesetzen, sowie zur Feststellung
des Staatshaushaltsetats und das Steuerbewilligungsrecht zu-
stehen.“
Offenbar ist bei dem Worte „Gesetzen“ nichts anderes ge-
dacht, als bei der so häufigen Wiederholung dieses Wortes in
den Verfassungsurkunden vom 5. Dez. 1848 und 31. Jan. 1850.
Was hat das Grundlagegesetz, was die Stände (der Vereinigte
Landtag) unter „allen Gesetzen“ verstanden? Man sollte meinen,
offenbar nichts anderes als bei „Gesetzentwürfen® in No. 1,
bei „Gesetze“ in No. 2 des Gesetzes vom 5. Juni 1823.
v. LANCIZOLLE, Ueber Königtum und Landstände in Preussen
1846, bemerkt 8. 420, dass das Wort „Gesetz“ an sich eine
höchst umfassende und also auch unbestimmte Bedeutung habe;
vorzugsweise möchte es wohl bezogen werden auf obrigkeitliche
Aufstellung allgemeiner, die Unterthanen als solche — nicht erst
kraft eines speziellen Dienstverhältnisses, wie den Soldaten- und
Beamtenstand — verpflichtenden Rechtsvorschriften. Dies ist
irrig. Denn Gesetz im Sinne des absoluten Staates Preussen
war jede vom Könige erlassene und verkündete Anordnung’.
v. LANCIZOLLE wollte offenbar nur solche Gesetze definieren, die
Gesetze im Sinne von No. 2 des Gesetzes vom 5. Juni 1823,
d. h. den Ständen vorzulegen waren. v. LANCIZOLLE bemerkt
dann ferner (S. 423), wenn No. 2 im Gesetz vom 5. Juni 1823
8 Siehe v. ManteurreL, Denkwürdigkeiten I S. 4; HkvpEmann, Ein-
leitung in das System des preuss. Zivilrechts S. 80; HiIERSEMENZEL, ARNDT,
Das selbständige Verordnungsrecht 8. 37.