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Den Ausgangspunkt bildet eine Analyse des Begriffes des Befehls
(S. 113ff.). Der Verf. definiert ihn als „die mit verpflichtender Wirkung
vorgenommene Bestimmung der Handlungsweise eines Dritten“ (soll heissen
eines „anderen“). Diesen Begriff wendet er auf den Gesetzesbefehl an
(S. 119 ff). „Die Vornahme dieses Befehlsaktes besteht darin, dass der oder
die dazu Berufenen mit einer die Staatsunterthanen verpflichtenden Wirkung
die Handlungsweise derselben inhaltlich bestimmen, oder mit anderen Worten,
dass sie mit einer die Staatsunterthanen verpflichtenden Wirkung denselben
gegenüber die Erklärung abgeben, dass sie die betreffenden Handlungen von
ihnen vorgenommen wissen wollen.“ Daraus schliesst der Verf., „dass alle
diejenigen, deren diesbezügliche Willenserklärung zum Zustandekommen des
Gesetzes, mit anderen Worten zum Eintritte der rechtlichen Verpflichtung
der Staatsunterthanen, rechtlich erforderlich ist, dadurch eben, dass sie diese
Erklärung den Staatsunterthanen gegenüber abgeben, die Erteilung des Ge-
setzesbefehls gemeinschaftlich vornehmen“. „Demnach ist die den Staats-
unterthanen gegenüber abzugebende, zum Zustandekommen des (Gesetzes
rechtlich erforderliche Erklärung, dass man den Gesetzesinhalt wolle, stets
auch Erteilung des bezüglichen Gesetzesbefehls, resp. wo mehrere diese
Erklärung abzugeben haben, Teilnahme an der von diesen mehreren ge-
meinsam vorgenommenen Erteilung des Gesetzesbefehls.*“ Diese Deduktion
wäre einleuchtend und unanfechtbar und bedürfte gar nicht der nachfolgenden
Argumente, wenn die Voraussetzung richtig wäre, dass das Parlament seine
Erklärung den Unterthanen gegenüber abgiebt. Dies ist aber nicht
der Fall; das Gegenteil entspricht dem wahren Sachverhalt. Das Parlament
in den konstitutionellen Monarchien Deutschlands sowie in Oesterreich richtet
seine staatsrechtlich erheblichen Erklärungen niemals an die Unterthanen,
sondern in allen Fällen an den Monarchen oder dessen Regierung (Minister). ,
Dies gilt auch von der Gesetzgebung; das Parlament erklärt dem Monar-
chen seine Zustimmung, dass dieser das Gesetz, dessen Wortlaut die Re-
gierung mit dem Parlament vereinbart hat, erlasse. Der Eingang jedes Ge-
setzes giebt diesem Verhältnis einen durchaus entsprechenden Ausdruck. Er
lautet nicht: „Wir der König und Wir das Parlament verordnen gemein-
sam“, sondern: „Wir der König verordnen nach erteilter Zustimmung (oder
mit Zustimmung) der Kammern.“ Die Erklärung des Befehls den Unter-
thanen gegenüber geht vom Monarchen allein aus. Die Zustimmung des
Landtags ist eine verfassungsmässige Vorbedingung für den Erlass dieser
vom Monarchen allein ausgehenden Erklärung. Das Privatrecht bietet zahl-
lose Analogien. Ein Rechtsgeschäft einer Ehefrau, zu welchem der Mann
ihr seine Einwilligung erteilt hat, ist kein gemeinsames Rechtsgeschäft der
Ehefrau; das Rechtsgeschäft eines Handelsgesellschafters, welches er mit Zu-
stimmung seiner Socii abgeschlossen hat, ist eine Willenserklärung dieses Ge-
sellschafters. Dem Verf. selbst ist dieses Bedenken gegen seine Beweisführung
nicht entgangen; aber die Art, wie er dasselbe zu beseitigen sucht, steht in