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mit welcher der Verf. gegen ein Recht der freien Öffentlichen Meinungs-
äusserung des Monarchen eintritt ($. 629).
Eingehende juristische Untersuchungen giebt das Buch nicht, doch ent-
hält es eine leicht, fast populär geschriebene Uebersicht der Materie und
teilt zu den einzelnen Fragen in interessanter Weise die Antwort der meisten
europäisch-amerikanischen Staatsverfassungen des XIX. Jahrhunderts mit.
Gerichtsassessor Dr. Franz Scholz.
Siegfried Geyerhahn, Das Problem der verhältnismässigen Ver-
tretung. Tübingen und Leipzig, J. ©. B. Mohr, 1902. 50 S. gr. 8°,
M. 1.80.
Das Schriftchen ist ein Beleg dafür, wie sehr der Gedanke der Pro-
portionalwahlen an Durcharbeitung gewinnt. Verf. stellt ein neues eigen-
artiges System auf, das die Vorzüge der in örtlichen Wahlbezirken durch-
geführten Einerwahlen nach Mehrheit mit den Vorzügen der innerhalb eines
ganzen Staatsgebietes durchgeführten Verhältniswahl vereinigen soll. Es
werden darnach so viele Wahlbezirke geschaffen, als die Hälfte der zu
wählenden Abgeordneten beträgt. In diesen Bezirken wird nach absoluter
Mehrheit (event. im Wege der Stichwahl) je ein Abgeordneter gewählt,
Das gesamte Wahlergebnis wird einer Zentralkommission unterbreitet, welche
für das ganze Staatsgebiet die sämtlichen auf die verschiedenen Parteien und
auf die „Wilden* entfallenen Stimmen zusammenstellt, ebenso auch die
durchgefallenen Kandidaten innerhalb all dieser Gruppen nach der Höhe
der Stimmenzahl ordnet. Zu den „Wilden“ sollen dabei nicht nur die
wirklich Parteilosen, sondern auch diejenigen gezählt werden, die in einem
vereinzelten Bezirke unter einer neuen Parteibezeichnung in den Wahlgang
getreten sind. Auf Grund dieser Zusammenstellung wird berechnet (nach
HaGEnBacH-BiIScHOFF und SIEGFRIED), wie viele Mandate jeder einzelnen Gruppe
verhältnismässig zufallen. Die den Gruppen in der Vorwahl zu wenig zu-
gefallenen Kandidaten werden ihr sodann aus den durchgefallenen Kandidaten
ihrer Richtung zugezählt, und zwar nach der Reihenfolge ihrer Stimmenzablen.
Der Gedanke ist bestechend, und er entwaffnet auch diejenigen Gegner
der Verhältniswablen, die ihre Gegnerschaft mit der Besorgnis begründen,
es möchte die Wahrung örtlicher Interessen Not leiden. Allein er würde
zu seiner vollwertigen Durchführung eine politisch durchgebildete Wähler-
schaft voraussetzen, die sich bewusst ist, dass die Vorwahl nur eine be-
schränkte Bedeutung habe und deren Ungleichheiten durch die nachfolgende
verhältnismässige Berechnung wieder ausgeglichen werden. Dies wird niemals
zu erreichen sein, wie ja sogar — freilich zu Unrecht — manche meinen,
man könne der Wählerschaft nicht einmal den Grundgedanken der Verhältnis-