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ermächtigt, mit Zustimmung der Bundesversammlung die. Erwerbung der
Hauptbahnen auch auf dem Wege des freihändigen Kaufes vorzunehmen,
wobei immerhin für die Festsetzung des Rückkaufpreises die Bestimmungen
der Bundesgesetzgebung und der Konzessionen massgebend sind.“ Zuerst wurde
die Zentralbahngesellschaft in das Eigentum der Eidgenossenschaft übergeleitet.
Es steht zu erwarten, dass auch die anderen Hauptbahnen im Wege des
freihändigen Ankaufes in Kürze Staatseigentum werden, und damit auf
langen Umwegen die Verstaatlichungsaktion vollendet wird. Ob die schwei-
zerische Eidgenossenschaft durch die Verstaatlichung ein gutes Geschäft
macht, ist freilich recht zweifelhaft und muss abgewartet werden. Ein Fis-
kalismus nach preussischem Muster ist jedenfalls durch ein Garantiegesetz
vorläufig ausgeschlossen; denn nach dem Rückkaufsgesetz müssen alle Ueber-
schüsse, welche auf den Bundesbahnen erzielt werden, wieder für Eisenbahn-
zwecke Verwendung finden. Das ist gewiss eine sehr weise Einrichtung:
schade nur, dass sie jederzeit durch ein neues Gesetz beseitigt werden kann.
Mit der Eisenbahnverstaatlichung erhält die schweizerische Republik ferner-
hin eine allmächtige Bureaukratie, die sie bis jetzt nicht gehabt hat.
Eine solche Eisenbahnbureaukratie ist aber in einem demokratischen Staats-
wesen besonders gefährlich, weil hier ganz besonders politische Gesichts-
punkte die Eisenbahnverwaltung beherrschen können. Wie jede Eisenbahn-
verstaatlichung, hat also auch die schweizerische erhebliche Schönheitsfehler;
ja dieselben sind sogar grösser als in anderen Staaten. —
Ich habe bier versucht, den Hauptinhalt des HeroLp’schen Buches in
grossen Zügen wiederzugeben. Das konnte bei einer so verwickelten Ma-
terie, wie der vorliegenden, leider nur ganz unvollkommen gelingen. Man
muss eben das Buch selbst gründlich studieren. Es kommen hier so viele
spezifisch schweizerische Verhältnisse in Frage, dass nur ein Schweizer selbst
sie mit hinreichender Objektivität und Gründlichkeit darstellen konnte.
Jeder Fachmann wird sich überzeugen, das dies HrrRoLD in unübertrefflicher
Weise gelungen ist.
Giessen. M. Biermer.
Adolf Weber, Depositenbanken und Spekulationsbanken. Ein
Vergleich deutschen und englischen Bankwesens. Leipzig, Verlag
von Duncker & Humblot, 1902. 8°. 8303 Ss. M. 6.80.
Eine sehr verbreitete Meinung in Deutschland ist die, dass das britische
Bankwesen demjenigen anderer Länder dadurch überlegen und volkswirt-
schaftlich gesunder als dieses sei, weil dort eine grössere Arbeitsteilung und
Spezialisierung herrsche. Der Verf. der vorliegenden Schrift hat es sich zur
Aufgabe gestellt, die britische Bankorganisation in allen ihren Teilen zu
studieren und jene bei uns herrschende Meinung auf ihre Richtigkeit kritisch