Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

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zulässig ist (S. 94). Oder um beim einfachsten Beispiele zu bleiben: nicht die 
Entziehung des Eigentums selbst im Enteignungsverfahren, sondern das dahinter 
stehende Enteignungsgesetz, welches dazu ermächtigt. Das ist etwas anderes; 
hier sind sicher Rechtssätze zu finden im Sinne des korrekten Begriffs. Aber 
wie verhalten sich die Grundrechte dazu und wie steht es alsdann mit der 
Argumentation, welche der Verf. daran knüpfen will? Das wäre doch ge- 
nauer ins Auge zu fassen. 
Der Verf. meint also: die herrschende Lehre behauptet, dass Rechts- 
sätze nur mit dem Willen des Gesetzes gemacht werden können; danach 
wäre es aber ein reines superfluum, wenn die Grundrechte so und so oft 
noch einmal sagten, dass auch zur Regelung von Freiheitsbeschränkungen, 
Eigentumsentziehungen u. s. w. Rechtssätze nur nach dem Willen des Ge- 
setzes geschaffen werden können. Richtig. Aber sagen die Grundrechte 
wirklich nur das? Wollen sie wirklich nur die rechtssatzmässige Regelung 
dieser Dinge dem Gesetze vorbehalten? Dann wäre lediglich ausgeschlossen, 
dass eine Verordnung solche Regelung gäbe. Nicht ausgeschlossen wäre, 
dass der Eingriff einfach via facti im Einzelfalle vorgenommen würde ohne 
alle rechtssatzmässige Regelung; die Verwaltung würde vielleicht ganz gern 
auf diese verzichten und sich mit frei beweglichen Dienstanweisungen be- 
gnügen, um die Verhaftung, die Enteignung zu ordnen. Da wird man uns 
denn sofort entgegnen: das ist nicht ernsthaft, so thöricht war natürlich die 
Verfassung nicht; es ist natürlich gemeint, nicht nur dass die rechtssatz- 
mässige Regelung solcher Eingriffe dem Gesetze vorbehalten sei, sondern 
auch dass ohne solche rechtssatzmässige Regelung diese Eingriffe nicht statt- 
finden dürfen, rechtlich unzulässig sind; das ist das Erste und Selbstverständ- 
liche. Gewiss; und wo steht das geschrieben? Nirgends anders als in den 
Grundrechten. Darüber wird niemand einen Zweifel haben; man braucht sie 
nur anzusehen. Daraus ergiebt sich aber, dass die Grundrechte doch noch 
etwas mehr und zwar ein sehr wichtiges Mehr bedeuten als den Satz: 
Rechtsnormen gehen nur vom Gesetze aus; sie sind auch neben diesem Satze 
nichts weniger als superflua, und die Lieblingsargumentation des Verf. fällt 
dahin. 
Nun müssen wir aber der Vollständigkeit halber noch hinzufügen: es ist 
gar nicht einmal wahr, dass die Grundrechte Rechtssätze verlangen zur 
Regelung von Freiheitsbeschränkungen, Eigentumsentziehungen u. s. w. In 
den bezüglichen Verfassungsbestimmungen ist schlechthin ein Gesetz ver- 
langt. Unter Gesetz ist aber, wie der Verf. anderweit mit Recht bemerkt, 
in erster Linie ein Gesetz im formellen Sinne, eine im Wege der Gesetz- 
gebung erzeugte staatliche Willenserklärung zu verstehen. Warum soll das 
nicht auch hier gelten? Freilich das Gesetz kann ja das, was es thut, auch 
in Form von Rechtssätzen thun; seiner schwerfälligen Natur nach trägt es 
die Neigung dazu in sich. Manchmal entspricht es der Natur der Sache 
oder auch dem Wortsinn der Verfassungsbestimmung, dass das Gesetz die
	        
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