Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

— 105 — 
Beschränkung des Wollendürfens des einzelnen kann das Gesamtwohl ge- 
deihen. Einem Kompromisse zwischen ihnen verdankt das Verwaltungs- 
strafrecht seine Existenz. Um die Rechtsverfassung zu schaffen und zu 
erhalten, bedarf es eines Trägers des allgemeinen Willens, welcher den- 
selben erklärt, soweit er sich nicht durch Gewohnheit offenbart, und welcher 
den hierdurch geschaffenen Machtzustand durch Zwang aufrecht erhält. Ebenso 
bedarf die menschliche Gesellschaft eines Willensträgers zur Durchführung 
der Verwaltung. Beide Funktionen übernimmt der Staat, die eine als 
blosses Organ des allgemeinen Willens, also ohne selbständigen Willen, die 
andere, welche nur durch Handeln, nicht durch Erklärungen oder Vor- 
schriften verwirklicht werden kann, als Träger eines selbständigen, vom all- 
gemeinen Willen verschiedenen Willens. — Der einzelne Willensträger 
kann sich nun gegen den allgemeinen Willen, die Rechtsverfassung, auf- 
lehnen, wodurch materiell eine Beeinträchtigung der Machtsphäre eines 
anderen Willensträgers (Rechtsgüterbeeinträchtigung), formell eine Verletzung 
des allgemeinen Willens (Rechtswidrigkeit), erfolgt (S. 540). Durch eine 
solche Auflehnung wird eine Reaktion des Staates als Vertreters der Rechts- 
ordnung hervorgerufen, welche formell in einer Gegenerklärung (Richter- 
spruch), materiell in der Wiederherstellung der beeinträchtigten Machtsphäre, 
oder, wo dies infolge Verletzung eines ideellen Rechtsgutes nicht ausreicht, in 
der Beeinträchtigung der Machtsphäre des Verletzenden, das ist in dessen 
Bestrafung, besteht. Wann, inwieweit und in welcher Art Strafen erfolgen 
sollen und dürfen, kann, weil dadurch die von der Rechtsordnung geschaffene 
Abgrenzung der Machtsphären der einzelnen Willensträger (auch die des 
heutzutage allein strafberechtigten Staates) und somit die Rechtsordnung 
selbst wesentlich betroffen werden, nur durch Erklärungen des allgemeinen 
Willens, also durch Rechtssätze bestimmt werden. 
Ganz anders verhält es sich mit der Beeinträchtigung des öffentlichen 
Wohles, d. h. eines subjektlosen Gutes des Publikums. Hier kann von 
einer Auflehnung gegen die Rechtsverfassung, von einer Rechtswidrigkeit 
oder einer Rechtsgüterbeeinträchtigung nicht die Rede sein. Hier sucht nun 
Gorpschmivt das Eingreifen der Staatsgewalt auf folgende Weise zu er- 
klären: Aus dem Umstande, dass die Gesamtheit dem Staate die Aufgabe 
der Gesamtwohlförderung übertragen, ergiebt sich die Pflicht jedes ein- 
zeinen Gliedes der Gesamtheit zur Unterstützung dieser staatlichen Thätig- 
keit (8. 547). Um diese Unterstützung nötigenfalls erzwingen bezw. gegen 
cie pflichtwidrige Unterlassung dieser Mitwirkung reagieren zu können, hat 
die menschliche Gesellschaft dem Staate überdies Zwangsbefugnisse gegen 
ihre Mitglieder eingeräumt (S. 550). Nun ist das öffentliche Wohl ein 
ideales, unerreichbares Ziel und daher die reale, auf Förderung dieses 
Wohls gerichtete staatliche Thätigkeit (die Staatsverwaltung) mit ihrem 
idealen Zwecke inkommensurabel, d. h. kann nicht Gegenstand einer ob- 
Jektiven Beurteilung und Bestimmung sein. Es muss daher dem mit der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.