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ständigen Verwaltung einer schemenhaften öffentlichen Wohlfahrt betraut
(S. 531, 537, 5388). Aber nicht nur zwei verschiedenartige, mehr oder
weniger von einander unabhängige Staatswillen werden aufgestellt, sondern
sogar eine Art rechtliches Verhältnis zwischen beiden in der Weise, dass
der eine als Erklärungsorgan der Gesamtheit dem andern, dem Verwaltungs-
befugten, einen Rechtsanspruch auf Unterstützung durch die einzelnen Unter-
thanen bei seiner Aufgabe und eine Befugnis zur Selbsthülfe gegen den
Widerstand der Unterthanen mittelst rechtssatzmässiger Strafgewalt verleiht
(S. 559, 560, 566). Das ist in etwas veränderter Form die längst über-
wundene Theorie von der Trennung der Gewalten, auf welche der Verf. auf
S. 535 direkt anspielt und von welcher Larann in seinem Staatsrecht sagt:
„Es ist in der That eine Chimäre, die staatlichen Aufgaben dergestalt in
zwei Teile zerlegen zu wollen, dass auf jedem dieser beiden Teile eine ge-
sonderte Staatsgewalt unabhängig von der andern herrsche. Das Gesamtleben
der Nation lässt sich so wenig auseinanderreissen, wie das Leben des Menschen.“
Sodann ist nach GOLDSCHMIDTs Ansicht die verwaltende Thätigkeit des
Staats an sich ungeeignet, in die Form des Rechts gebracht zu werden, weil
sie lediglich die Gesamtwohlförderung als ideales und unerreichbares Ziel
verfolgt, welche Förderung wegen ihres rein ideellen Charakters einem ob-
Jektiven Massstab durch Rechtssatzung und Richterspruch nicht unterworfen
werden kann, sondern dem uuwiderlegbaren subjektiven Ermessen der Staats-
gewalt als Besorgerin der Verwaltungsaufgabe überlassen bleiben muss
(S. 545 ff.). — Das ist die dürre Verwerfung der ganzen Reclıtsstaatsidee,
welche für unsere Wissenschaft und Gesetzgebung die treibende Kraft zum
Ausbau allen innerstaatlichen Lebens geworden ist, welche gerade darin be-
steht, dass die „Bahnen und Grenzen seiner (des Staates) Wirksamkeit wie
die freie Sphäre seiner Bürger in der Weise des Rechts genau bestimmt und
abgegrenzt werden (STanL, Rechts- und Staatslehre). Auch die Verwaltung
des Rechtsstaats muss, wie OTTo Mayer bei der Entwicklung seines „Deut-
schen Verwaltungsrechts“ in juristisch konsequenter Weise ausführt, mög-
lichst durch Rechtssätze gebunden werden. Ja, zu einer guten Rechtsordnung,
wie wir sie verstehen, gehört auch noch, dass der Staat zwischen dem die
Verwaltung regelnden Rechtssatz und dem danach zu behandelnden Einzel-
fall womöglich einen Verwaltungsakt, vergleichbar einem Richterspruch in
der ‚Justiz, einschiebt.
Das alles negiert GoLpschmiDts Theorie und man kann dem Verf.
derselben trotz aller Anerkennung seiner bedeutenden Arbeitsleistung den
Vorwurf nicht ersparen, dass er dadurch die anerkannten Grundlagen einer
bedeutungsvollen wissenschaftlichen Richtung ohne tiefgehende kritische
Untersuchung derselben etwas leichtherzig beiseite schiebt.
Karl Lamp.