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zinsung und Tilgung der Eisenbahnschuld verwendet. Ausser dieser Eisen-
bahnschuld, die sich im Jahr 1900 auf 355,7 Millionen Mark belief, hat
Baden keine Schulden. Bis in die 70er Jahre des 19. Jahrhunderts ge-
nügte die Eisenbahnrente zur Verzinsung und planmässigen Tilgung der
Eisenbahnschuld. Seit dieser Zeit aber wuchs die Eisenbahnschuld infolge
von Neuanlagen bedeutend, die Eisenbahnrente aber blieb wegen geringer
Rentabilität der neuen Strecken stationär. Die Fortsetzung der planmässigen
Tilgung aus dem Ertrag der Eisenbahnen erwies sich als unmöglich. Zur
Beschaffung der jährlichen Amortisationsquoten entschloss man sich, Zu-
schüsse aus Mitteln des allgemeinen Staatshaushalts zu machen. Seit dem
Jahre 1880 wurden Beiträge in wechselnder Höhe zu diesem Zweck in das
Budget eingestellt. Seit dem Jahre 1894 ist der Zuschuss sich gleich ge-
blieben. Er belief sich bis zum Jahre 1900 auf jährlich 2 Millionen Mark,
wozu noch der Anteil Badens an den Reichspostrevenüen in dem festen Be-
trag von jährlich einer halben Million Mark getreten ist. So bilden die
Staatseisenbahnen in Baden keine Ertragsquelle wie in Preussen, sondern
einen erheblichen Ausgabeposten. Dafür haben die Baukosten für Eisenbahn-
zwecke bis Ende 1900 544,2 Millionen Mark betragen, während die wirkliche
Eisenbahnschuld auf den gleichen Zeitraum sich nur auf 355,7 Millionen
beläuft, demgemäss nicht weniger als 188,4 Millionen Mark, also 34 Prozent
der Baukosten, amortisiert worden sind. Die badische Eisenbahnfinanzpolitik
hat sich also durchaus bewährt. Das staatliche Ausgabewesen ist in keiner
Weise von den schwankenden Erträgen der Eisenbahnen abhängig geworden.
Eigene Einnahmen und die vorsichtigerweise gewährten Dotationen aus dem
allgemeinen Staatshaushalt haben auch bei stark gestiegenem und wenig
rentablem Bauaufwand die planmässige Tilgung der Eisenbahnschuld gestattet
und ein die Schuldenlast weit übertreffendes reines werbendes Staatsvermögen
geschaffen. Hier drängt sich nun ein Vergleich mit Preussen auf, wo die
Eisenbahnerträge einen so beträchtlichen Teil des Staatshaushaltes bilden,
dass, abgesehen von dem aus der Eisenbahnrente geleisteten Dienst der
Staatsschuld, nicht weniger als ein Drittel aller Staatsausgaben aus den
Eisenbahneinnahmen bestritten werden. Es wäre eine sehr lohnende und
nicht übermässig schwierige Aufgabe, die Ursache dieser tiefgreifenden Ver-
schiedenheit im einzelnen festzustellen. Soweit ich sehe, kommen haupt-
sächlich drei Momente in Betracht. In Baden erfolgt die Tilgung in viel
stärkerem Masse als in Preussen. Während dort das Tilgungsprozent im
Durchschnitt der Jahre 1882—1901 1,87 beträgt, beläuft es sich hier nach
den Berechnungen R. von Kaurmanns für die Jahre 1882-1896 auf 0,55.
Aber abgesehen von dieser freiwilligen Mehrleistung Badens zur Verminde-
rung seiner Staatsschuld ist auch die Rentabilität des preussischen Netzes
eine grössere als die des badischen. Das Anlagekapital verzinste sich in
Preussen im Betriebsjahre 1899/1900 zu 7,28 Prozent, in Baden im Jahre
1900 dagegen nur zu 3,37 Prozent. Dieser bedeutende Abstand lässt sich