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besteuerung, der jedoch schon früh personalsteuerartige Elemente beigemischt
wurden. Im Jahr 1884 trat zu dieser Ertragsbesteuerung eine allgemeine
Einkommensteuer, die sich seitdem zum Hauptbestandteil des badischen
direkten Steuersystems entwickelt hat. Die Ertragsbesteuerung wird als er-
gänzende Besteuerung des fundierten Einkommens beibehalten, aber der
Steuerfuss der einzelnen Ertragssteuern erheblich herabgesetzt. Die weitere
Reform der badischen Besteuerung soll nun nach den Absichten des Verf.
dahin gehen, die noch bestehenden Ertragssteuern zu partiellen Vermögens-
steuern umzubilden. Die Voraussetzungen für diese Reform sind gerade in
Baden besonders günstig, weil Gewerbe- und Kapitalrentensteuer bereits als
partielle Personalsteuern (Zulassung des Schuldenabzugs) gestaltet sind, und
Grund- und Gebäudesteuern auf Grund eines Wert- nicht aber eines Rein-
ertragskatasters erhoben werden. Die Erörterung dieses noch im Gang be-
findlichen Reformwerkes zählt zu den interessantesten Teilen des Buches, da
der Verf. hier nicht nur als kritischer Darsteller, sondern auch als haupt-
verantwortlicher Mitarbeiter redet. Ganz besonders anzuerkennen ist die
Besonnenheit und Umsicht, mit der die badische Regierung das Bestehende
ohne gewaltsamen Bruch modernen Anforderungen entsprechend weiter zu
bilden sucht. Dass sie dabei auf die Bedürfnisse ihres Staatshaushalts, nicht
aber auf das Muster des grössten deutschen Einzelstaates Rücksicht nimmt,
kann ihr im Ernst nicht zum Vorwurf gemacht werden. Gerade der Nachbar-
staat Hessen hat mit der überstürzten Nachahmung des preussischen Vor-
bildes keine besonders günstigen Erfahrungen gemacht. Seit seiner Steuer-
reform befindet er sich eigentlich in chronischer Finanznot und muss die
unter der Herrschaft des veralteten Systems angesammelten Ueberschüsse
zur Deckung der Fehlbeträge in seinem Staatshaushalt verwenden. Man kann
die geniale Durchführung und segensreiche sozialpolitische Wirkung der
Steuerreform in Preussen voll anerkennen und kann doch der Meinung sein,
dass eine einfache Kopie der preussischen Institutionen unter den völlig
anders gearteten Voraussetzungen in Baden eine schwere Erschütterung des
Staatshaushalts hervorrufen würde. Solange es in Deutschland Einzelstaaten
mit so verschieden gearteten Einnahme- und Aurgabewirtschaften geben
wird wie Preussen und Baden, solange können auch die Steuerverfassungen
nicht völlig gleichartig gestaltet werden. Der oberste Zweck aller Finanz-
wirtschaft ist nicht Verwirklichung dieser oder jener sozialpolitischer Ideale
durch die Steuerverfassung, sondern Beschaffung der dem Staat für die
Durchführung seiner Aufgaben notwendigen Geldmittel.
Strassburg i. E. Professor W. Wittich.