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tums herbeigeführt. Diese Aufteilung des Grundeigentums steht auch in
gewissem Zusammenhang mit der Verminderung der Zahl der Geburten,
eine der dunklen Seiten in Frankreichs gegenwärtiger Lage.
Unser Gesetzgebungsapparat und Vereine wie die Societe d’Economie
sociale haben einen Feldzug zu Gunsten der Vergrösserung der testamen-
tarischen Freiheit und der Vermehrung des frei verfügbaren Vermögens-
teiles geführt. Es dürfte auch für Deutschland von Interesse sein zu er-
fahren, welchen Wert ein Franzose der Gesetzgebung des Anerbenrechtes
beimisst, das eine so bedeutende Rolle in der Bevölkerung der sächsi-
schen Ebene gespielt und seit mehreren Jahrhunderten das Prinzip
der Geschlossenheit der Höfe aufrecht erhalten hat. VERDELOT, der sich
lange Zeit in Deutschland aufgehalten hat, hat diesen Gegenstand mit be-
sonderer Sorgfalt studiert. Er hat sich vor allem mit sehr eingehenden
Untersuchungen über den Ursprung dieser Gesetzgebung beschäftigt und
beschreibt im vorliegenden Werke die Organisation des deutschen Grund-
eigentums im Mittelalter, das Näherrecht, das Beispruchsrecht, und erwägt
eingehend die Wichtigkeit des Systems der Erbgüter. Besonders geht er
ein auf die Stammgüter und die Rolle, welche sie heute noch spielen und
auf die Folgen der Freiheit, die man dem Adel im Westen des Reiches
gelassen hat, die Erbfolge hinsichtlich seiner Güter in fast selbständiger
Weise zu regeln, und auf das Aufrechterhalten der Hausgesetze durch das
neue Bürgerliche Gesetzbuch.
Er weist den spanischen Ursprung der Fideikommisse nach und die
Rolle, die sie in Deutschland gespielt haben, er glaubt, dass das System
der Fideikommisse grosse Dienste auch ausserhalb des Adels leisten könnte,
und zeigt, durch welche Bestrebungen bäuerliche Fideikommisse zu be-
schaffen wären.
Der grösste Teil des Buches ist dem Anerbenrecht gewidmet. Von
der Frage der Entstehung des Anerbenrechtes, wobei sich VERDELOT zu dem
jetzt wohl allgemein angenommenen Ursprung aus der Vorträgerei bekennt,
hat er bis zum Schicksal der Abfindlinge alle Streitfragen in Betracht ge-
zogen; allerdings dabei nichts vorgebracht, was wir nicht schon an anderem
Orte ausgeführt gelesen hätten. VERDELOT kommt nach sorgfältiger Ab-
wägung der Vor- und Nachteile des Anerbenrechts zu dem Ergebnis, dass
es für Frankreich nicht recht passe. Er hat recht; in einem Lande, wo
die Zusammenlegung noch für eine revolutionäre Massregel gilt, ist der
Psychologische Moment für das Anerbenrecht noch nicht gekommen. —
VERDELOT hätte noch sagen müssen, dass man in Deutschland, da wo die
Teilbarkeit gesetzlich erlaubt ist, in der That nicht soviel teilt wie in Frank-
reich. Man übt hier die Praxis des Gutsübergabevertrags. VERDELOT er-
kennt nicht den Nachteil der gesetzlichen Teilbarkeit, die sehr oft nicht zu
einer Errichtung mehrerer neuer Wirtschaften, sondern zu möglichst günstiger
Verhöckerung des Grund und Bodens führt; und wenn man jetzt den deut-