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Das französische Recht unterscheidet zwischen genereller und
spezieller Ermächtigung. Eine generelle Ermächtigung besitzen
der Präsident, der Präfekt und der Maire, letztere beide nur für
bestimmte Gebiete; die Minister haben eine solche generelle Er-
mächtigung nicht. Letztere dürfen daher Verordnungen, die an-
dere als ihre Organe binden, nur auf Grund besonderer gesetz-
licher Ermächtigung erlassen (BATBIE, Pre&cis IIL, N° 84, Grande
Encyclopö&die s. m. röglement u. s. w.). Aber selbst der Präsi-
dent, der Präfekt und der Maire, obgleich sie eine allgemeine
Verordnungsbefugnis besitzen, dürfen gewisse Dinge stets nur mit
besonderer Ermächtigung anordnen. Dazu gehören: gerichtlich
festzusetzende Strafen, ferner überhaupt Anweisungen an die
Gerichte, Eingriffe in die richterliche Kompetenz. Dies ist es,
was der grundrechtliche Satz (BLock, Dict. de l’admin. franc.
comp. s. m. decret N°® 13) bedeutet: „Aucune peine, aucun impöt,
ni aucune competence judiciaire ne peuvent &tre etablies par
decret. Il faut une del&gation expresse du lögislateur.* Daraus
hat die französische Judikatur den Satz hergeleitet und selbst
während des troisiöme empire aufrecht erhalten und durchgeführt,
dass die Gerichte arrätes selbst des Kaisers nur anzuwenden
haben, wenn und soweit sie „conformes aux lois“ sind, wenn und
soweit sie sich auf einen Akt der Gesetzgebung stützen. Mochte
immerhin es nur eine Farce sein, ob ein Befehl des Kaisers mit
Gesetzeskraft durch Senatskonsult auszustatten war, formell
verlangte die Judikatur eine solche Ausstattung, wenn sie den Be-
fehl anwenden sollte, DALLOZz repertoire, s. m. loi N° 87, 88, wo in
der Zeit des dritten Kaiserreichs ausgeführt wird, dass die rögle-
ments administratifs für die Gerichte nur anzuwenden sind „dans
les seuls cas oü ils sont conformes aux lois“.
Dieser Satz erscheint für das heutige französische und das
belgische Recht so selbstverständlich, dass es schwer hält, sich zu
vergegenwärtigen, wie bedeutsam er vor und bei Emanation der
belgischen Verfassung erschien. Man scheint heute anzunehmen,