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dass die Trennung der richterlichen von der vollziehenden Gewalt,
dass insbesondere der Satz, die Gerichte seien nur dem Gesetze
unterworfen, weiter nichts bedeutet habe als „Ausschaltung jeder
Dienstgewalt über den Richter in Sachen der Rechtsanwendung
insbesondere der Urteilsfällung, — weiter nichts* (Anscuürz).
Die Entstehung der belgischen Verfassung zeigt, dass man die
Ausschaltung jeder Dienstgewalt über den Richter in Sachen der
Rechtsanwendung für ganz selbstverständlich gehalten, dass man
sie bereits im holländischen Rechte vorgefunden und dass man sie
deshalb gar nicht besonders ausgesprochen hat, was auch absolut
überflüssig gewesen wäre, da der belgische König und die Exe-
kutive überhaupt nur die ausdrücklich übertragenen Befugnisse
haben und die Befugnis, in Sachen der Rechtsanwendung Dienst-
gewalt über den Richter auszuüben, ihnen nicht übertragen ist.
Bekanntlich fühlte sich der südliche Teil der Niederlande,
das heutige Belgien, dadurch aufs äusserste beschwert, dass der
König von Holland auf dem gesetzfreien Gebiete sich das Recht
des Gebots und Verbots beilegte, dass er insbesondere von diesem
Rechte gerade auf dem Gebiete des Unterrichtswesens Gebrauch
machte, und zwar Gebrauch nicht in Ausführung der älteren
Gesetze, sondern selbständig und zwar so, dass einerseits die
Geistlichkeit und die Klerikalen, und andererseits die Liberalen
und vor allem die libres penseurs, auch nicht die auf klerikalem
oder antikirchlichem Boden stehenden Gemeinden Schulen an-
legen, Religionsunterricht leiten, einführen, vermehren oder ab-
schaffen konnten, sondern dass dies alles durch die Krone Hol-
land nach deren Ermessen bestimmt wurde. Solche selbständigen
Verordnungen nannten die Belgier arr&t&s, und sie bezeichnen
die Epoche von 1815—1830 als die Periode der arr&t&s. Durch
ein Gesetz vom 6. März 1818 waren die Gerichte verpflichtet, alle
solchen arröt&s anzuwenden, ohne dass sie das Recht hatten zu
prüfen, ob diese einem Gesetze entsprechen oder lediglich auf
königlicher Prärogative beruhen. Auch die arrötes der letzteren Art