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die ordentlichen Gerichte bestimmten Vorschriften nicht ein-
seitig von der Krone erlassen werden dürfen. EpuArD LAskEr
hat ihm hierin zwar nicht ausdrücklich, aber implicite zugestimmt;
ebenso PArE!*, Das gleiche hat Graf Lırps in einem von ihm
verfassten Berichte einer Herrenhauskommission (Sten. Ber.
1878/79 II 523) wiederholt und im Plenum nochmals vor-
getragen. Er forderte damals öffentlich auf, bei Nichtüberein-
stimmung Widerspruch zu erheben. Aber keiner der liberalen
Oberbürgermeister, noch einer der gelehrten Universitätsvertreter,
noch sonst ein Reaktionär oder Antireaktionär widersprachen ihm
und führten etwa aus: einerseits dehne der Kommissionsbericht
die Verordnungsbefugnis der Krone zu weit aus, und andererseits
bestehe nirgends im preussischen Rechte der vom Grafen Lippe
aufgestellte Satz, wonach Rechtsgesetze, d. h. zur unmittelbaren
Anwendung durch die Gerichte bestimmte Vorschriften, unmittelbar
oder mittelbar auf Gesetz beruhen müssen. Graf Lırpz und
PAp&E stellten im Jahre 1865 die ordentlichen Gerichte in Gegen-
satze zu den Prisengerichten; nur auf die ersteren finden die
Vorschriften der Verfassung über das Gerichtswesen Anwendung.
Mit unbedingter Gewissheit lassen auch die Verhandlungen
zum Art. 105 der oktroyierten, bezw. Art. 63 der revidierten
Verfassung erkennen, dass die Urheber der Verfassung den Satz
als zweifellos annahmen: die Gerichte sind nicht der einfachen
Verordnung unterworfen. Die Minderheit der Verfassungs-
kommission der II. Kammer hatte die Streichung des Not-
verordnungsrechts beantragt, weil, wenn wirklich dazu Anlass
vorläge, die Regierung auf eigene Verantwortung ohne ausdrück-
liche Ermächtigung unter Vorbehalt späterer Indemnität vorgehen
könne. Die Mehrheit sprach sich deswegen gegen die Streichung
aus, weil in vielen Fällen, z. B. bei Hinausschiebung der Fällig-
keit von Wechseln, Ausfuhrverboten von Kriegsmaterial, „eine
© Siehe die Citate im „Selbständigen Verordnungsrecht“ S. 210, 211.