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lung durch bestimmte Kassenärzte, deren Thätigkeit als Mindest-
leistung nach 86 Kr.-V.-G. gelten müsse, zu bezeichnen pflegen,
es ist aber verfehlt, aus derartigen, im Meinungskampfe wohl
vorkommenden Uebertreibungen Waffen zum Streite gegen die
freie Arztwahl zu entnehmen, die ich übrigens, beiläufig bemerkt,
durchaus nicht befürworten möchte!. Der frei gewählte Arzt
gewährt nicht mehr und nicht weniger, als grundsätzlich auch
der Kassenarzt. Deshalb kann nicht unter Berufung auf & 33
Abs. 1 Kr.-V.-G. bei einer Kasse mit ungünstigen Jahresab-
schlüssen die Aufgabe der freien Arztwahl als einer Mehrleistung
behördlich erzwungen werden. Umgekehrt wird man dagegen
die Beschränkung auf den Kassenarzt in solchen Fällen für
unzureichend halten müssen, in welchen die Art der Krank-
heit die Zuziehung eines besonders für solche Leiden ausgebil-
deten Sachverständigen (Spezialarztes) nötig erscheinen liess.
Die Aufsichtsbehörde kann, um diesen Zweck zu erreichen, im
Einzelfalle bei Abgabe von Entscheidungen nach $ 58 Kr.-V.-G.
(vgl. unten S. 11) die Kasse zur Stellung eines Spezialarztes an-
halten. Ueber die Bezahlung des zugezogenen Arztes hat sie
nicht auf dessen Antrag unmittelbar gegen die Kasse die
Leistung der Vergütung zu verfügen, sondern sie muss es dem
Arzte überlassen, im ordentlichen Rechtswege seinen Anspruch
durchzusetzen !®,
Eine Ueberschreitung der angedeuteten Grenzlinie seitens
Vgl. meinen Aufsatz: „Stimmen zur Reform der Krankenversicherung
in Deutschland* Bd. IV Heft 2 S. 122 der „Zeitschrift für Sozial-
wissenschaft“ von JuLıus WoLr.
5 „Arbeiterversorgung“ Bd. 13 S. 406 No. 1; Bd. 15 8. 22, wo
HaRN zutreffend darauf hinweist, dass bei streitigen Forderungen von Aerzten,
Apothekern u. s. w. die Aufsichtsbehörde überhaupt nicht einzugreifen habe,
und dass nach dem Bericht der Reichstagskommission zur Krankenversiche-
Tungsnovelle von 1892 (Drucksachen des Reichstages 9. 28) die Kün-
digung und Entlassung der angestellten Kassenärzte ebensowenig zum Gegen-
stande aufsichtsbehördlicher Erörterungen zu machen sei, da lediglich Privat-
rechtsverhältnisse vorlägen.