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einschliessen können (wenn auch nicht müssen). Dieser Streit
kann an dieser Stelle ganz auf sich beruhen bleiben. Denn mag
man selbst mit dem Reichsgericht annehmen, dass Verwaltungs-
vorschriften auch Rechtsnormen sein können, so muss doch,
wie ich glaube, zugegeben werden und gebe ich wenigstens zu,
dass zu den Rechtsgesetzen, d. h. den primo loco und ex professo
zur gerichtlichen Anwendung bestimmten Reichs- und Landes-
gesetzen, Ausführungsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften
ausser auf Grund spezieller Ermächtigung nicht ergehen können.
Dass dies an sich richtig, ergiebt ein Blick in die Thatsachen.
Zu Gewerbe-, Finanz-, Polizei- und allen Arten von Gesetzen
ergehen lange Ausführungsverordnungen, allgemeine Instruktionen,
ministerielle Anweisungen, vergebens aber sucht man nach solchen
bei den Rechtsgesetzen, etwa der Civil- oder Strafprozess-
ordnung oder dem Bürgerlichen Gesetzbuche. Schon v. RÖNNE
in seiner ersten Auflage des Preussischen Staatsrechts (1856)
konstatiert, dass keine Ausführungsverordnungen bezüglich des
Verfahrens der Gerichte in Civil- und Strafsachen und im Prozess-
recht zulässig sind; der von ihm, offenbar wie so vieles, aus
J. A. ZacHarIıä entlehnte Grund, „weil diese unmittelbar
oder mittelbar die Rechte der einzelnen Unterthanen betreffen“,
ist dagegen verfehlt, weil auch die Ausführungsverordnungen
z. B. zur Gewerbeordnung unmittelbar oder mittelbar die Rechte
der Unterthanen berühren. Der Grund ist vielmehr, dass die
Gerichte unabhängig in ihrer richterlichen Thätigkeit von der Exeku-
tive sein sollen, sie sollen selbst und selbständig beurteilen, wie
die Gesetzesvorschriften auszulegen, anzuwenden und auszuführen
sind!’a, Dagegen kann den Regierungen, Gewerbeinspektionen,
Landräten u. s. w. vorgeschrieben werden, wie sie diese oder
jene Gesetzesvorschrift, z. B. des Gewerbe- oder Finanzrechts,
auszuführen oder anzuwenden haben. Solche Anweisungen greifen
's So auch in England: Cox, Institutions p. 5.