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so haben sie jetzt das Recht und die Pflicht, diese auf ihre ver-
fassungsmässige Gültigkeit zu prüfen.
Verhältnismässig leicht ist diese Aufgabe bei den Porto- und
Telegraphengebühren. Nach Art. 48R.-V. und Art. 48 Bundes-V.,
kommt es nicht darauf an, ob die Exekutive juristisch befugt
war, aus eigenem Rechte die Telegraphengebühren und gewisse
Porti zu normieren; vielmehr genügt es, festzustellen, ob that-
sächlich in Preussen diese im Verwaltungswege normiert waren.
Dies war der Fall, folglich, mochte immerhin die Exekutive nicht
dazu de fure befugt gewesen sein, haben die Gerichte bei An-
wendung des 8 25 Post-G. bezw. der Fernsprech-Gebührenordnung
vom 20. Dez. 1899 diese Gebühren als von einer zuständigen
Stelle normiert, als legal bestehend, anzuerkennen. Dabei macht
es keinen Unterschied, ob sie mit dem Reichsgericht in dieser
Normierung Rechtsvorschriften oder nur vertragsmässige Be-
stimmungen erblicken.
Schwieriger ist es z. B. mit der Frage: haben die Gerichte
z. B. die Vorschriften anzuwenden, welche über Professorenwitwen-
und Waisen-Relikten selbständig im Verordnungswege festgesetzt
sind? Es handelt sich hier um königliche Verordnungen, aber
es ist mindestens fraglich, ob diese im Sinne des Art. 106 ge-
hörig publiziert sind, und ob etwa die im Etatsgesetz enthaltenen
Bemerkungen den Witwen und Waisen gegenüber Recht aus-
machen, Ich setze z. B. den Fall, dass die Witwe oder die
Waisen eines ordentlichen Professors, der aber nur ein sog. per-
sönliches Ordinariat hatte, und die also nur die geringeren Be-
träge eines Extraordinarius erhalten, gegen den Staat klagbar
würden. Gegen die Einrede, der Professor habe sich dem in
einem Reverse unterworfen, replizieren sie mit dem Satze, dass
nach preussischem Rechte, wie das Reichsgericht auch anerkenne,
auf zukünftige Gehaltsansprüche u. dgl. gar nicht rechtswirksam
verzichtet werden könne. Der Richter wird nach alledem kaum um
die Frage herumkommen, ob die königlichen Verordnungen zu