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nichts anderes als geschütztes Interesse. Praktisch erübrigt
kaum ein anderes als analoge Anwendung der Grenzen, welche
das Gesetz der freien Verwaltung jedes einzelnen zieht, und
Sondergesetz mit Rücksicht auf die Grösse der einander entgegen-
stehenden Interessen?, Bedeutungsvoll ist aber das Prinzip des
Verwaltungsrechtes selbst, das zugleich die Rechtswissenschaft
zwingt, sich über den altherkömmlichen pandektorischen Rahmen
zu erweitern und das Gebiet des öffentlichen Liebens mitzu-
umfassen.
Das parlamentarische System bezeichnete, wie gesagt, regel-
mässig den Durchbruch der absoluten Fürstengewalt. Daher der
Jubel, mit dem es begrüsst wurde, und der um so stürmischer
war, je schroffer der Polizeistaat auf dem Volke gelastet hatte.
In Wien waren sich nach beglaubigten Quellen die Leute auf
der Strasse um den Hals gefallen, als es hiess, der Kaiser habe
eine Konstitution gegeben, und ähnliche Ausbrüche des Enthu-
siasmus kamen in Berlin und anderen Orten vor. Aber nicht
bloss das Volk, auch die Theorie war begeistert und erklärte mit
naivem Dogmatismus das konstitutionelle System für den theo-
retischen Höhepunkt aller möglichen Verfassungsformen, für die
Verwirklichung der staatsrechtlichen Idee.
„Das konstitutionelle System* — schreiben ROTTECK und
WELCKER, seine Apostel — „ist in der Theorie vollständig, in der
Praxis wenigstens annähernd übereinstimmend mit dem System
eines rein vernünftigen Staatsrechtes. Es scheint uns nötig,
die Prinzipien des konstitutionellen Systems, welchem wir unsere
Herzenshuldigungen darbringen . . . . der Teilnahme der
Klar- und Wohldenkenden zu empfehlen (Staatslexikon, Titel:
Konstitution, konstitutionelles System).*“
Wir sind seither kühler geworden. Es ist uns ergangen
wie dem Jüngling, der mit dem Gegenstand seiner glühenden
® Vgl. Begründung zum sächsischen Gesetzentwurf über die Verwaltungs-
rechtspflege vom 7. Nov. 1899, Dekrete No. 16.